- Bewegungen im Stillstand
- Das Echo der Kindheit
- Wahrheit in Zwischenräumen
- Hotel Paraíso: A retreat into the past
Von Barbara Hoppe.
Ein Hotel an der Algarve, das im Winter geschlossen ist, scheint für Frieda genau das richtige zu sein. Denn die Synchron- und Hörbuchsprecherin aus Berlin steckt in der Krise. Als ihr die Stimme nicht mehr gehorchen möchte, empfiehlt ihr Freund Jonas deshalb eindringlich, sich eine Auszeit vom Job zu gönnen und das Angebot anzunehmen, das menschenleere Hotel Paraíso zu hüten, regelmäßig durchzulüften und hin und wieder in den Räumen das Licht an- und auszuschalten. Es ist kurz vor Weihnachten, als Frieda im Süden Portugals ankommt. Dort, wo es im Osten viele Sandsteinfelsen gibt, „auf denen Gras, Büsche und Sukkulenten wachsen. Hohe Formationen, die bei Ebbe aussehen wie knorrige und krumme Torbogen einer verlassenen Stadt“ und wo im Westen „ein kilometerlanger Sandstrand, so breit wie eine Flugzeuglandebahn“ liegt, sich ein Naturschutzgebiet ausbreitet, hohe braune Felsen von Wellen umspült werden und weit in der Ferne Hochhäuser in der Sonne flimmern, richtet sich Frieda an dem eleganten Ort ein, dessen dezente Farben den Gegensatz zur Natur vor den Fenstern betonen, und in dem mehr Leben herrscht als gedacht.
Bewegungen im Stillstand
Denn da sind der Hotelhund Otto und João, der dafür sorgt, dass die Bauarbeiter wissen, wie der neue Weg zu verlegen ist. Die Handwerker lärmen und ein unsichtbarer Gast, der sich regelmäßig aus dem Hotelkühlschrank bedient, aber im Gegenzug auch immer eine kulinarische Köstlichkeit zurücklässt, geht ein und aus. Und doch wirft die winterliche Stimmung der Ferienregion mit ihrem strahlendem Licht und dem beständigen Meeresrauschen Frieda auf sich selbst zurück.
Das Echo der Kindheit
Ihre Gedanken wandern in ihre Kindheit, wo in sie einem niedersächsischen Dorf zwischen der Tankstelle ihrer Eltern mit der ölverschmierten Werkstatt und dem ordentlich gehaltenen Wohnhaus aufwuchs. Wo sie glücklich war, bis einer nach dem anderen starb. So, wie sich die Wellen mit ihrem „Krshhh. Wischsch, Dschtsch“ am Strand brechen, spült die Einsamkeit des Hotels diese Erinnerungen hoch und mit ihnen das Gefühl, schon als Kind nicht dazugehört zu haben.
Wahrheit in Zwischenräumen
Langsam arbeitet Arezu Weitholz die Vergangenheit ihrer Protagonistin auf. „Hotel Paraíso“ ist der dritte Roman der Journalistin und Autorin. Man wird das Gefühl nicht los, dass es auch ihr persönlichster ist. „Alles ist wahr. Nichts davon ist genau so geschehen. Suchen Sie sich was aus“, heißt es im Vorspann. Selbst in einem Dorf bei Hannover aufgewachsen in einer Zeit, die der Friedas Kindheit und Jugend in vielem ähnelt, fängt Arezu Weitholz die Stimmung der 70er-Jahre sensibel ein. „Hotel Paraíso“ ist eine behutsame Reise in die Gefühlswelt einer Frau, die aus ihren geordneten Bahnen gerät und in der Einsamkeit langsam wieder Tritt fasst. Dass dies nicht zu schwermütig wird, dafür sorgen die portugiesische Leichtigkeit und der humorvolle Ton von Arezu Weitholz.
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Was das Buch lesenswert macht:
- Einsame Algarve als Bühne innerer Umbrüche
- Geheimnisvoller Hotelgast mit kulinarischem Tausch
- Rückblenden in eine Kindheit zwischen Werkstatt und Verlust
Der Artikel erschien ebenfalls als Literarisches Reiserätsel in Das WOCHENENDE! (Frankfurter Neue Presse, Frankfurter Rundschau und FAZ Rhein Main Zeitung), 17. August 2024.
Hotel Paraíso: A retreat into the past
Frieda, a voice actress from Berlin, loses her voice. A closed hotel on the Algarve becomes her retreat. Just before Christmas, she arrives in southern Portugal, where sandstone cliffs and a vast beach shape the scenery. The elegant hotel seems deserted, but Frieda encounters Otto the dog, João the foreman, and a mysterious guest who raids the fridge and leaves gourmet treats behind.
The winter silence and the sound of the sea push Frieda inward. Memories of her childhood in a Lower Saxony village resurface—between a gas station, a greasy workshop, and family loss. The hotel’s solitude brings back old emotions, the sense of never truly belonging.
Arezu Weitholz’s Hotel Paraíso explores inner upheaval and the search for stability. Her third novel feels personal, sensitive, and quiet. Raised in a village near Hanover herself, Weitholz captures the mood of the 1970s with precision. With Portuguese lightness and subtle humor, she crafts a poetic journey into the emotional world of a woman slowly regaining her footing.






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