Ein Gedicht von Stephan Reimertz
ich stelle die schrift
die alle welt betrifft
für meinen fleiß
bekam ich einen preis
als stadtschreiber von pusemuckel
hab ich neun monate auf dem buckel
in dem dichten kleinstadtmief
war ich besonders kreativ
mein neuer roman
ist aktuell und kommt gut an
der lektor hat gepfuscht
der verlag hat gepuscht
und mein werk da steht es schon
lobend erwähnt im feuilleton
sonst lebe ich nur in berlin
in diese stadt gehör ich hin
da wohn ich statt in einer suite
beim geist der zeit zur untermiete
möbliert bin ich nach bauhaus
das sieht so furchtbar schlau aus
auch zeigen die weißen wände
der bewohner hat saubere hände
denn die purifikation
gehört bei mir zum guten ton
berühmt bin ich und mein werk
vor allem am prenzlauer berg
seit ich den klagenfurz gewann
sieht man mich hier als fuzzi an
doch der erfolg bringt leider
nicht nur applaus auch neider
so treff ich öfters den kollegen
der nicht im mindesten verlegen
obwohl er mein elaborat
noch immer nicht gelesen hat
ansonsten bin ich arbeitsvieh
und meide die society
bei gräfin hardenbergs dîner
tret ich niemand auf den zeh
im salon von marion knauf
fiel ich noch nie jemandem auf
und lädt man mich zum jour fixe ein
sag ich herr sombart danke nein
vor ulla klingbeil mit dem hut
bin ich besonders auf der hut
seh ich die ganze schickeria
sag ich bitte nicht mit mir
goethe schiller hölderlin
haben mir den glanz verliehen
doch bei lagerfeld und newton
soll man mich nicht einmal vermuten
ich laß mich nicht verwirren
von diesen armen irren
Der Autor
Stephan Reimertz, Deutschlands poeta doctus, ist bekannt für Gedichte von unnachahmlicher Anmut. In seinen Short Stories ist er jenem Phänomen auf der Spur, das wir Liebe nennen. In seinem vielgelesenen Roman Eine Liebe im Porträt setzte er der Malerin und Wagnersängerin Minna Tube ein Denkmal, die daraufhin wiederentdeckt wurde. Sein Klassiker Papiergewicht beschreibt die Erosion einer Oberschichtsfamilie der siebziger Jahre. Viel diskutiert werden seine kunstgeschichtlichen und philosophischen Essays.
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