Ein Gedicht von Stephan Reimertz
mein neuer roman
man sieht es mir an
kam ins quartett
nun bin ich fett
es machte auf einen streich
ranicki mich reich
doch mußte ich aus berlin
nach monte carlo ziehen
und statt mit günther graß
bier vom faß
trink ich im deutschen club
tee mit krupp
statt schampus bei aldi
champagner bei grimaldi
mit prinz albert und karin dolfen
geh ich nach der kirche golfen
und sag fürst polignac
jeden tag guten tag
ich speise nur mit earls und dukes
oder mit professor fuchs
zwischen ferré und ferrari
bugatti und bulgari
fahr ich hin und her
chauffiert vom chauffeur
laß von dareau mich portraitieren
so werd ich bald den louvre zieren
ich habe eine yacht von swan
die ich gar nicht steuern kann
und wohne auf dem rocher
mit meiner neuen fiancée
ein mädchen mit pedigree
und einer sechsten zeh
ihre urgroßmutter
war tochter von heinrich dem bluter
sie steht in ihrer ersten blüte
und trägt im staat die größten hüte
doch fühlt die frau sich nackt
hat keinen pelz gepackt
es fressen die klamotten
in vaters burg die motten
sie hatscht im negligé
mit mir zum bal de l’été
ich treffe zwischen den brillanten
zum glück keine alten bekannten
für die neuen wie nadja auermann
bin ich ganz ein schlauer mann
hab ich doch ein buch geschrieben
und bin dabei normal geblieben
Der Autor
Stephan Reimertz, Deutschlands poeta doctus, ist bekannt für Gedichte von unnachahmlicher Anmut. In seinen Short Stories ist er jenem Phänomen auf der Spur, das wir Liebe nennen. In seinem vielgelesenen Roman Eine Liebe im Porträt setzte er der Malerin und Wagnersängerin Minna Tube ein Denkmal, die daraufhin wiederentdeckt wurde. Sein Klassiker Papiergewicht beschreibt die Erosion einer Oberschichtsfamilie der siebziger Jahre. Viel diskutiert werden seine kunstgeschichtlichen und philosophischen Essays.
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