Commissaire Lacroix löst seinen ersten Fall.
Rezension von Barbara Hoppe.
Alex Lépic macht es einem leicht, sich ganz in einem Maigret-Roman zu fühlen. „Maigret, Telefon für Sie“ ist der erste Satz im ersten Fall von Commissaire Lacroix. Ein Scherz, den sich Adolphu Paganelli gegenüber dem Commissaire immer wieder erlaubt. Nicht mehr ganz jung und mit Hut, Mantel und ohne Handy auch etwas unmodern, leitet Lacroix seit 20 Jahren die Polizeipräfektur im 5. Pariser Arrondissement. Dort, wo es das kleine Polizeimuseum gibt, in dem schmucklosen Sechzigerjahrebau zwischen Saint-Michel und Panthéon, fühlt sich der Kommissar wohl. Sein fensterloses Büro und sein Schreibtisch ohne Telefon helfen ihm, sich aufs Nachdenken zu konzentrieren. Jede Ablenkung liegt ihm fern. Ganz wie sein literarisches Pendant, verlässt sich Lacroix auf seine Intuition, versucht, die Täter zu verstehen und vergisst dabei nicht das Essen und Trinken in den Pariser Bistros, gern auch mit Wein und Bier während der Dienstzeit.
Fiele nicht manches Mal das Wort „Handy“ und wäre seine langjährige Mitarbeiterin Jade Rio nicht mit einer Frau verheiratet, käme man nicht auf die Idee, einen Roman von heute vor sich zu haben. Auch wenn Lacroix mit Dominique die Bürgermeisterin des siebten Arrondissements zur Frau hat, die damit entschieden emanzipierter ist als Madame Maigret, verströmt der Krimi die altmodische Gemütlichkeit und den Charme eines Vorkriegsparis. Auch wenn die Clochards mit den Jahren zahlreicher geworden sind, ist Notre-Dame (noch) die Kirchendame von damals und Lacroix‘ Lieblingsanblick in einer Stadt, die sich für seinen Geschmack viel zu sehr verändert hat.
Das muss er auch feststellen, als er am ersten Tag nach seinem Urlaub zu einem brutalen Mord gerufen wird. Ein Unbekannter hat einem Obdachlosen unter der berühmten Pont Neuf die Kehle durchgeschnitten. Als am nächsten und übernächsten Tag weitere Opfer zu beklagen sind, lernt er die Welt der Clochards genauer kennen. Diese ist inzwischen ein eigenes, hartes Milieu, in dem auch vor Schutzgelderpressung nicht Halt gemacht wird. Zwischen seinem Stammlokal bei Yvonne, dem Kommissariat, den Brücken an der Seine und seinem Zuhause pendelt der Commissaire nun hin und her, umgeben von treuen Freunden und Vasallen, die ihm nicht nur mit Rat und Tat zur Seite stehen, sondern auch als Telefonzentrale dienen, denn – wie gesagt – Lacroix hat kein Handy.
Die Hommage an George Simenon und seinen Maigret ist Alex Lépic gelungen. Mit seinem ersten Fall schafft er einen liebenswerten Wiedergänger eines literarischen Vorbilds und einer Stadt, die zärtlich und brutal zugleich ist. Angesichts einer Flut von Provence-, Bretagne- und sonstwas Krimis ist dieser Ausflug in die französische Hauptstadt ein Vergnügen. Er ist ein wunderbar sanfter Gute-Laune-Krimi, stimmungsvoll und unterhaltsam, der sich für laue Sommernächte und lange Sonntage bestens eignet.
Alex Lépic
Lacroix und die Toten von Pont Neuf
Kampa Verlag, Zürich 2019
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