Der zweite Band um Commissaire Lacroix ist moderne Nostalgie. Rezension von Barbara Hoppe.
Maurice Lefèvre ist tot. Der Star-Bäcker hatte gerade zum zweiten Mal in Folge die Auszeichnung „Bestes Baguette von Paris“ gewonnen, und nun liegt er mit eingeschlagenem Schädel in seiner Backstube.
Commissaire Lacroix, seit 20 Jahren Leiter der Polizeipräfektur im 5. Pariser Arrondissement, ist erschüttert, kauft er doch selbst sein Baguette bei dem Mann, der sich immer als Handwerker alten Schlags verstanden hat. Mit seinem zweiten Titel hat Lefèvre in der 26-jährigen Geschichte des Wettbewerbs ein Novum geschafft. Zweimal hintereinander gelang dies nämlich noch keinem Pariser Baguette-Bäcker. Gegen 246 Konkurrenten setzte sich die mehlbestäubte Kruste der Lefèvre-Bäckerei durch. Und den Teilnehmern ist es todernst. Schließlich bedeutet ein Gewinn nicht nur mehr Umsatz durch die Pariser, auch ein exklusiver Ein-Jahres-Liefervertrag mit dem Elysée Palast erhöht das Renomee. Lacroix steht schon bald vor einer ziemlich unübersichtlichen Gemengelage aus Bäckerinnung, Handelssekretariat, Konkurrenten, Mitarbeitern und Ehefrau. Wer hatte einen Grund, den Bäcker zu töten? Und warum hat er sich nach dem ersten Sieg menschlich so sehr verändert?
Wie schon im ersten Band der Reihe führt uns Alex Lépic mit seinem Commissaire durch die schönsten Winkel von Paris. Lacroix ist altmodisch: Er geht gern zu Fuß (nur selten steigt er in einen Bus, nie in die Métro), hat kein Handy (dafür hat er sein Stammbistro und seine Wirtin, Yvonne), liebt seine Frau, die Bezirksbürgermeisterin des 7. Arrondissements, mit der er gern gut Essen geht und auch sonst läuft einem beim Lesen nicht nur ob der perfekten Mischung aus Kruste und weichem Teig der Baguettes das Wasser im Mund zusammen. Gern nennt ihn sein Umfeld Maigret, denn der Kommissar raucht nicht nur Pfeife, trägt Trenchcoat und Hut, er ist auch dem mittäglichen Bier nicht abgeneigt. Und vor allem lässt er – ganz wie das literarische Vorbild – andere nicht an seinen Gedanken teilhaben. Am Ende stehen nicht nur seine Kollegen – die lesbische Jade Rio und der Korse Adolphu Paganelli – überrascht vor der von Lacroix hervorgezauberten Lösung, auch die Leserschaft muss es verkraften, von seinen Schlussfolgerungen erst im Nachhinein zu hören.
Was dem harmlos-amüsanten und stimmungsvollen Feel-Good-Krimi allerdings keinen Abbruch tut. Mit einem Cameo-Auftritt als Fleischer Lepic schaut auch der Autor kurz vorbei. Letzterer hat seinen Maigret-Lacroix leichtfüßig ins 21. Jahrhundert geführt, in dem die echten Pariser immer noch ein bisschen wehmütig auf die alten Zeiten schauen, als Notre-Dame noch keine Brandruine war. Sofern er sich nicht zu gemütlich in seiner Rolle einrichtet, hat Lacroix das Zeug dazu, ein Dauerbrenner wie Maigret zu werden.
Alex Lépic
Lacroix und der Bäcker von Saint-Germain
Kampa Verlag, Zürich 2020
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