Nach der Graphic Novel „Endzeit“ von Olivia Vieweg schafft Regisseurin Carolina Hellsgård eine Apokalypse für den Neuanfang. Rezension von Barbara Hoppe.
Eine Seuche hat die Erde heimgesucht. Nur wenige Menschen haben überlebt. Ihre Schutzräume sind Jena und Weimar. Während man in Jena nach einem Gegenmittel forscht, tötet man in Weimar jeden Neuinfizierten auf der Stelle. So auch Isabelle, die beim Reparieren des Schutzzauns von einem Zombie angefallen und eiskalt von Eva erschossen wird. Vivi, normalerweise in einem Heim für psychisch Kranke, erlebt hier das erste Mal die Brutalität an der Grenze zur Wildnis. Sie hält die Situation nicht mehr aus. Noch immer quält sie, dass sie zwei Jahre zuvor, als die vom Virus befallenen Menschen als Zombies alle Lebenden zunichtemachten, ihre kleine Schwester im Stich gelassen hat.
Doch auch Eva hat ein Geheimnis. Und während immer noch ein führerloser Versorgungszug zwischen den beiden Städten pendelt, verschlägt es die beiden ungleichen Frauen in die Wildnis dazwischen. Allein auf freiem Feld müssen sich die beiden wohl oder übel zusammenraufen.
Schuld und Sühne
Regisseurin Carolina Hellsgård gelingt ein betörend verstörendes Endzeitdrama, das mit überraschend schönen Naturszenarien aufwartet. Stärke bei der einen und Schwäche bei der anderen heben sich auf, je mehr sich die Frauen aneinander annähern und vertrauen. Gejagt von den Schatten der Vergangenheit, erlebt die eine die Apokalypse als Befreiung, die andere als Angstraum, aus dem es kein Entkommen gibt. „Ich glaube, die Erde ist eine kluge alte Frau. Und die Menschen, die haben jetzt lange keine Miete gezahlt. Und das da draußen, das ist die Räumungsklage“, sagt Eva, die Zombie-Killerin. Anders Vivi, deren Gefühle von Mitleid und Trauer dominiert werden. Erst die Begegnung mit der Gärtnerin bringt die Wende. Sich seinen Traumata stellen und akzeptieren was ist, ist der Neuanfang. So gesehen steht der Film auch für eine Katharsis jedes einzelnen mit seinen Albträumen.
Starke Frauen
„Endzeit“ ist ein Film von Frauen. Nicht nur sind alles Schlüsselrollen im Film von Frauen besetzt, auch die Crew dahinter besteht nur aus Frauen. Die Weimarer Autorin Olivia Vieweg, auf deren Graphic Novel der Film basiert, gibt hier ihr Drehbuchdebüt, das 2015 mit dem Tankred Dorst Preis ausgezeichnet wurde. Die jungen, unverbrauchten Schauspielerinnen Gro Swantje Kohlhof als verhuscht-engelhafte Vivi und Maja Lehrer als nervenstarke und burschikose Eva zeigen in dem beklemmenden und doch die Freiheit atmenden Endzeit-Drama eine eindrucksvolle Präsenz. Mit der Gärtnerin, die als gute Fee durchgehen kann, droht das Geschehen zwar ins Mystisch-Kitschige zu kippen, doch ist sie gleichzeitig auch das Symbol für das Neue auf einer vom Menschen bereinigten Welt, in der Vivi und Eva die Hoffnungsträger sind.
Es wäre falsch, „Endzeit“ auf einen Horror- oder Zombie-Film zu reduzieren. Wer dies erwartet, wird enttäuscht, was wohl auch die bisweilen kritischen Stimmen erklärt. Im Vordergrund steht der Läuterungs- und Findungsprozess der Protagonistinnen, in dem die Untoten eher Dämonen der Vergangenheit als verseuchte Menschen sind. Carolina Hellsgårds Figuren sind starke und flirrende Wesen, die ihren Platz im neuen Leben auf der alten Mutter Erde finden müssen. Aber der Mensch konnte sich schon immer gut anpassen und hat eine Chance. Und das ist die eigentliche – wenn auch manchmal etwas plakative – Botschaft des Films.
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