Rezension von Barbara Hoppe.
Da ist er wieder. Heinrich Steinfest. Ausgezeichnet nicht nur für seine Krimis, sondern auch für seinen so wunderbar abgedrehten und vor Fantasie sprühenden Roman „Das Leben und Sterben der Flugzeuge“. Und auch in seinem neuesten Werk „Der Chauffeur“ beweist der in Australien geborene Österreicher wieder einmal, dass sich gute Unterhaltung, intelligentes Erzählen, ein wohlkomponierter Plot und höchstes Sprachniveau nicht ausschließen müssen.
Moralische und juristische Schuld
Ausgangspunkt der Geschichte ist ein Unfall. Paul Klee ist nicht Maler, sondern Chauffeur für einen älteren prominenten Politiker und Wirtschaftsboss. Schuldlos gerät sein Fahrzeug in einen Unfall. Paul Klee kann zwar seinen Chef retten, für die Insassen des eigentlichen Unfallwagens, darunter ein Kind, kann er jedoch nichts mehr tun. Die Krux: Hätte er statt seines Chefs das Kind gerettet, wäre der Ältere gestorben, nicht der Junge. So weit die Lage. Schon in „Die Büglerin“ entwickelt Heinrich Steinfest eine Schuldfrage, die juristisch keine und moralische eine höchst fragwürdige ist. Dem Chauffeur macht das Versäumnis des nicht-geretteten Kindes allerdings nicht nur sein Chef, sondern die gesamte Öffentlichkeit zum Vorwurf. Der Job ist weg, die Taschen sind gefüllt mit einer großzügigen Abfindung und Paul Klee ist bereit, sich seinen größten Traum zu erfüllen: Ein kleines, ganz besonderes Hotel zu führen. Das „Hotel zur kleinen Nacht“ soll das Tor zu einem neuen Leben werden. Und das wird es auch, aber anders, als sich der ehemalige Chauffeur gedacht hat.
Surreal und abgefahren
Denn der Eintritt in ein neues Leben als Hotelier ist auch gleichzeitig der Beginn einer Reihe von kuriosen, absurden, surrealen, kriminalistischen und humoresken Episoden für Paul Klee. Freilich zieht sich die Moral- und Schuldfrage unterschwellig durch die Geschichte, doch dominiert sie die ungemein unterhaltsame, bisweilen phantastische und sprachlich exzellente Geschichte nie. Erneut erweist sich Steinfest als ein Meister der Fabulierkunst. Man merkt, dass der Autor von der Science Fiction kommt und selbst als bildender Künstler tätig ist. „Der Chauffeur“ sprüht vor Einfällen und mäandert munter zwischen Wunderkindern, Extraterrestrischem, Kriminal- und Liebesroman. Jede Form der Inhaltsangabe ist müßig und überflüssig, so detailliert und facettenreich entwickelt Heinrich Steinfest seinen Roman. Er nimmt sich Zeit für seine Protagonisten, für den Plot und die Fantasie, der er ungehemmt freien Lauf lässt. Er schlägt amüsante, humorvolle Volten, bleibt als Erzähler erkennbar, ohne je die Verbindung zu seinen sympathischen Figuren zu verlieren. So schlägt er einen großen Bogen aus dem Hier und Jetzt in eine Zukunft, die eine mögliche Lösung für die Probleme der Welt mit ihrer eigenartigen Menschheit sein könnte.
Was soll man noch dazu sagen? Nichts weiter als: Lesen Sie dieses Buch! Es ist eine Sternstunde schönster, intelligentester und abgefahrenster Romanunterhaltung seit langem.
Heinrich Steinfest
Der Chauffeur
Piper Verlag, München 2020
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