In der neuen Retrospektive in München zeigt sich die Künstlerin Gabriele Münter von vielen Seiten. Auch von überraschenden. Wer hätte gedacht, dass die in Berlin geborene Gefährtin der Münchner Künstlergruppe Der Blaue Reiter zwei Jahre lang die USA photographierte? Von Stephan Reimertz
München verfügt über acht Heilige der modernen Kunst: Franz v. Lenbach, Franz v. Stuck, Franz Marc, August Macke, Wassilij Kandinskij, Alexej v. Jawlenskij, Marianne v. Werefkin und Gabriele Münter. Man kann man sie immer wieder aufs Neue ausstellen. Das Lenbachhaus besitzt zudem die größte Sammlung der Künstlergruppe Der Blaue Reiter. Derzeit präsentiert das Haus die umfassendste Retrospektive von Gabriele Münter seit einem Vierteljahrhundert. Besonderes Verdienst der neuen Ausstellung ist, dass sie nun auch das photographische Werk der Künstlerin zeigt.
Gabriele Münter reiste um die Jahrhundertwende durch die USA und begann dort zu photographieren. In den zahlreichen Aufnahmen aus der amerikanischen Provinz, vor allem Texas und dem Mittleren Westen, kann man nachvollziehen, wie die Künstlerin ihr Auge an der neuen Technik schulte. Präzise ist von da an ihr Blick, unterschiedlich die Gerade der Abstraktion. Über die Hälfte der etwa 130 Gemälde waren noch nie zu sehen und stammen meist aus Münters Nachlass. Staunend kann man erleben, wie sich die Künstlerin immer wieder neu erfand. Sind auch ihre Porträts und Selbstporträts in der Nachfolge der französischen Fauves am bekanntesten geworden, erleben wir nun in München, dass Münter keine technischen oder stilistischen Grenzen anerkannte und sich immer wieder in neue Phasen von Landschafts-, Porträt- und Genremalerei stürzte.
Die Künstlerin lebte mit Wassily Kandinsky zusammen, der um 1910/11 den Schritt von der Abstraktion in die Gegenstandslosigkeit wagte. Diesen Schritt machte Münter nicht mit. Umso interessanter ist zu sehen, mit welcher Verwandlungsfähigkeit die 1962 verstorbene Künstlerin die Möglichkeiten figurativer Malerei noch einmal ausschöpfte.
Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife.
Ausstellung bis zum 8. April 2018
Städtische Galerie im Lenbachhaus
Luisenstraße 33
80333 München
Öffnungszeiten
Dienstag: 10 bis 20 Uhr
Mittwoch bis Sonntag und feiertags: 10 bis 18 Uhr
Montag: geschlossen
12 Euro/6 Euro
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Eine sehr gelungene Ausstellung, weil sie erstmals die Vielseitigkeit von Münters Werk jenseits der bekannten Staffelsee-Panoramen und Blumenstilleben zeigt.
Wichtiger Tipp für Besucher: die Jahreskarte fürs Lenbachhaus kostet 20 Euro! Wer also mindestens 2 x im Jahr in München ist und dort hingeht, hat das Geld schon wieder raus – angesichts des hohen Einzelpreises von 12 Euro pro Ticket eine gute Alternative.