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Das pralle Leben: Frans Hals, „Meister des Augenblicks“

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Ausstellung

Von Barbara Hoppe.

Warmes, samtenes Licht in einer Fast-Dunkelheit, aus der die Porträts des niederländischen Malers Frans Hals hell hervorleuchten, umfängt die Besucher. Für einen Moment verschlägt es einem den Atem. Die Berliner Gemäldegalerie, diese oft unterschätzte Institution großartiger Kunst, hat keine Mühen gescheut, dem zu Unrecht im Schatten von Rubens und Rembrandt stehenden Frans Hals (1580-1666) eine würdige Umgebung zu schaffen.

Es ist die erste große Ausstellung des Künstlers in Deutschland und „wir wollen Frans Hals in seiner ganzen Ausdrucksstärke zeigen“, betont Dagmar Hirschfelder, seit 2021 Direktorin des Hauses. Allein mit der gelungenen Präsentation seiner Werke ist der Gemäldegalerie bereits ein Coup gelungen. Umfangreiche und wohl überlegte, auf Nachhaltigkeit angelegte Umbauarbeiten machen aus dem einst etwas unwirtlichen Ausstellungsraum ein Wandelkabinett, das nicht nur jedes einzelne Bild gekonnt in Szene setzt, sondern auch überraschende Perspektiven eröffnet.

Das pralle Leben

„Meister des Augenblicks“ hat das Haus die große Retrospektive genannt – und trifft damit den Kern des Hals’schen Blicks auf seine Figuren. Frans Hals hat viele Bilder gemalt, die wie Porträts wirken, im Grunde aber Genrebilder sind. Seine Motive fand er häufig unter den Außenseitern der Gesellschaft, bei Musikanten, Prostituierten, einfachen Leuten oder unter den vermeintlich Verrückten, wie die „Malle Babbe“, die „verrückte Barbara“, die sich historisch auf Barbara Claes aus Haarlem bezieht. 1646 brachte man sie in ein Arbeitshaus, das sie Zeit ihres Lebens nicht mehr verließ. Noch zu Hals‘ Lebzeiten erfreute sich das Motiv großer Beliebtheit. Nicht nur in diesem Bild zeigt sich das Revolutionäre im Malstil des Antwerpener Künstlers. Fast skizzenhaft hält er in seinen Bildern den flüchtigen Augenblick eines offenen Lachens, einer Bewegung oder Trunkenheit fest. Ein Moment des prallen Lebens, flüchtig und doch wunderschön. Bildmotive gegen jede Norm, die ihn im 17. Jahrhundert zum modernsten Maler seiner Zeit werden ließen.

Ein Ruf, dem auch Teile des reichen Bürgertums nicht widerstehen konnten. Denn innovativ, ausdrucksstark und unkonventionell porträtiert er auch sie. Erfindet neue Posen, inszeniert sie lebensnah, fängt einen Blick, eine Geste ein. Oder bildet sie – wie im Falle der Catharina Hooft – mit ihrer Amme ab. Der Betrachter spürt: Hier ist nicht nur ein eigenwilliger und großer Maler am Werk, sondern auch jemand, der die Menschen liebt.

Die eindrucksvolle Schau mit rund 80 Werken von Frans Hals entstand in Kooperation mit der National Gallery, London, und dem Rijksmuseum, Amsterdam. Mit neun Werken aus dem eigenen Bestand hat die Gemäldegalerie eine der umfangreichsten und hochkarätigsten Sammlungen an Bildern von Frans Hals weltweit, darunter auch die genannten „Malle Babbe“ und das „Porträt der Catharina Hooft mit ihrer Amme“ sowie den „Knaben mit Flöte“.

Anders als die Retrospektive in der Londoner Nationalgalerie zeigt die Gemäldegalerie unter der Rubrik „Das „volck“ von Frans Hals“ neben Werken seiner Konkurrenten auch einige seiner Schülerinnen und Schüler. Sie haben es geschafft, trotz oder auch gerade wegen ihres so genialen wie pädagogisch-klugen Lehrmeisters, eine eigene Bildsprache zu entwickeln und einen selbständigen, erfolgreichen künstlerischen Lebensweg zu gehen.

Die Wiederentdeckung Frans Hals‘

Dennoch rutschte Frans Hals nach seinem Tod in die Zweitrangigkeit. Das Skizzenhafte seiner Bilder empfand man lange als Schlampigkeit. Erst im 19. Jahrhundert entdeckten ihn die Impressionisten und Realisten wie Max Liebermann, Wilhelm Leibl und Lovis Corinth als Inspirationsquelle neu.  

Die Besucher in Berlin lernen mit 50 der bedeutendsten Gemälde von Frans Hals aus über 30 öffentlichen und privaten Sammlungen in Europa, den USA und Kanada einen großartigen Porträtmaler kennen. Dazu gehören die Topstücke „Bildnis eines Ehepaares“ aus dem Rijksmuseum, „Junger Mann mit Totenschädel“ aus der Londoner National Gallery und „Der Lautenspieler“ aus dem Musée du Louvre. Gezeigt werden auch Werke, die niemals zuvor in Deutschland ausgestellt waren, unter anderem das monumentale, über vier Meter breite Schützenstück „Die magere Kompagnie“, „Der lachende Kavalier“ aus der Wallace Collection in London und zwei außergewöhnliche Gemälde mit Evangelistendarstellungen des Museums für Westliche und Östliche Kunst in Odessa.

Unbestritten gehört die Retrospektive in der Gemäldegalerie zu den Top-Ausstellungen des diesjährigen deutschen Museumsjahrs. Wer die Begegnung mit dem „Meister des Augenblicks“, Frans Hals, in der Berliner Gemäldegalerie versäumt, verpasst ein Rendezvous der Extraklasse, das entzückt und lange nachwirkt.

Frans Hals. Meister des Augenblicks
Ausstellung bis zum 3. November 2024

Gemäldegalerie
Matthäikirchplatz
10785 Berlin

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The Gemäldegalerie in Berlin celebrates Frans Hals, the „Master of the Moment“
Warm, velvety light in near-darkness, from which the portraits by Frans Hals shine brightly, envelops the visitors. The Berlin Gemäldegalerie presents the first major exhibition of the Dutch painter in Germany. „We want to show Frans Hals in all his expressive power,“ emphasizes Director Dagmar Hirschfelder. Extensive renovations have transformed the exhibition space into a cabinet of wonders, opening up surprising perspectives.

The retrospective „Master of the Moment“ showcases around 80 works by Hals, including „Malle Babbe“ and the „Portrait of Catharina Hooft with her Nurse.“ The exhibition was created in cooperation with the National Gallery, London, and the Rijksmuseum, Amsterdam. Frans Hals‘ innovative, expressive portraits revolutionized 17th-century art and later influenced Impressionists and Realists. The exhibition includes significant works from over 30 collections worldwide, including pieces from the Rijksmuseum, the National Gallery in London, and the Musée du Louvre.

2 Gedanken zu „Das pralle Leben: Frans Hals, „Meister des Augenblicks““

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