Von Birgit Koß.
Djaïli Amadou Amal weiß, wovon sie schreibt. Die Autorin wurde als 17-jährige muslimische Fulbe aus dem Norden Kameruns zwangsverheiratet und erlebte persönlich viele Formen der Unterdrückung der Frauen in der Sahelzone. 2012 gründete die Autorin und Menschenrechtsaktivistin die Vereinigung „Femmes du Sahel“ die sich für Bildung von Mädchen und gegen geschlechtsspezifische Gewalt einsetzt.
Mit ihrem dritten Roman „Munyal“/ „Les Impatientes“ gelang ihr der literarische Durchbruch in Frankreich. Der Roman wurde mehrfach ausgezeichnet und jetzt unter dem Titel „Die ungeduldigen Frauen“ im Orlanda Verlag auf Deutsch herausgebracht. Darin erzählt Djaïli Amadou Amal die Geschichte von drei jungen Frauen und ihren Erfahrungen mit der Ehe. „Munyal defan hayre –Geduld kocht Stein“ heißt ein fulbisches Sprichwort. „Munyal“- Geduld, ist auch das, was die beiden jungen Frauen Ramla und Hindou am Tag ihrer gleichzeitigen Eheschließung von ihrem Vater als mahnendes Wort mitbekommen. In schlichten Worten erzählt die Autorin die ergreifenden Geschichten der Ehefrauen.
Ramla ist siebzehn und träumt davon Apothekerin zu werden. Nachdem sie schon diverse Heiratskandidaten abgelehnt hat, entscheidet sie sich für einen Freund ihres Bruders, der in Tunesien studiert. Die Familie ist einverstanden und Ramla glücklich. Doch dann hält ein 50jähriger vermögender Geschäftsfreund ihres Onkels um ihre Hand an – ein Angebot, das die Familie nicht ablehnen kann. Somit wird die verzweifelte Ramla die zweite Ehefrau von Alhajdi Issa. Sehr gern würde ihre jüngere Schwester Hindou mit ihr tauschen. Sie wird mit ihrem zwar jungen und gut aussehenden, aber äußerst gewalttätigen und trinksüchtigen Cousin Moubarka verheiratet. Nachdem mehrere Fluchtversuche scheitern, flüchtet sie sich in die innere Emigration. Die dritte Geschichte handelt von Safira, der ersten Ehefrau von Alhajdi Issa. Jahrelang war sie seine einzige Ehefrau, glücklich mit ihm und ihren Kindern. Statt ihre neue Nebenfrau zu unterstützen, wie es die Tradition eigentlich vorsieht, versucht sie alles, um diese zu vergraulen und schreckt auch vor Intrigen und Zauberei nicht zurück.
Anhand dieser drei Frauenschicksale erzählt die Autorin über die traditionellen Rollen der Frauen und Männer bei den Fulbe und über die komplexen Beziehungen in polygamen Haushalten. Immer wieder setzen Mütter ihre Töchter unter Druck, sich ihrem Schicksal zu beugen, um ihre eigene Stellung im Haushalt ihres Mannes nicht zu verlieren und nicht gemeinsam mit den jüngeren Kindern verstoßen zu werden. Anhand der drei Schicksale zeigt Amal die komplexen familiären Bindungen und die vielfachen Zwänge, die daraus entstehen. Doch sie beschreibt die jungen Frauen nicht nur als Opfer sondern erzählt, wie ungeduldig sie sind, welche Wege sie sich selbst mühsam erschließen, oft zu einem hohen Preis. Mit schlichten Sätzen und Dialogen schafft die Autorin intensive Bilder und Einblicke in eine für die Außenwelt verschlossene Gesellschaft. Dass sie damit den Nerv der Zeit trifft, zeigt auch ihre jüngste Auszeichnung durch Livres Hebdo, dem französischen Fachmedium der Buchbranche als „Autorin des Jahres 2021“. Erstmals hat eine Schriftstellerin des afrikanischen Kontinents diese Auszeichnung erhalten.
Djaïli Amadou Amal
Die ungeduldigen Frauen
Aus dem Französischen von Ela zum Winkel
Orlanda, Berlin 2022
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