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»Doping«: Pseudoparteipolitische Provinzposse in den Münchner Kammerspielen

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Der Unsinn geht weiter: Münchens Woke-Zentrum, »Kammerspiele« genannt, missbraucht fünf glänzende Schauspieler für eine witz- und geistlose Politposse. Es ist Zeit für einen Neuanfang an dem traditionsreichen Theater. Von Stephan Reimertz.

Politik auf dem Theater kann man machen; ja man kann sie nicht nicht machen. Denn das Theater ist per se politisch. Dabei zeigt sich, dass die Bühne an politischer Ausstrahlung verliert, je direkter sie sich in die tages- und parteipolitische Niederungen begibt: Ein FDP-Politiker auf der Insel Sylt (die im Laufe des Stücks zu einem U-Boot mutiert), der sich coram publico in die Hose macht, eine unstillbare Wasserfontäne, die auf die Bühne spritzt, geistlose und vulgäre Dialoge, (die Sehnsucht wecken nach dem Berlin der Zwanziger Jahre, als es noch ein Bildungsbürgertum und eine jüdisch geprägte Kultur des Esprit gab): Damit wären die Möglichkeiten auch schon ausgeschöpft, über die Abdel-Maksoud hier verfügt.

Die Dichterin und Regisseurin wirft einen alten Hut in den Ring

Meine verehrten Theaterfreunde, da haben wir es wieder: Ein Politikerschicksal im gnadenlosen Hamsterrad des Neoliberalismus! Wie neu, wie überraschend! Nora Abdel-Maksoud nimmt uns mit ihrer Revue Doping mit auf eine rasante Abwärtsfahrt durch die Abgründe des Leistungsprinzips. Im Zentrum steht Lütje Wesel, ein aufstrebender FDP-Jungpolitiker, der fest an die Gesetze des freien Marktes und die Tugenden der Selbstoptimierung glaubt. Doch der gnadenlose Wahlkampf fordert seinen Tribut: Lütje bricht zusammen, ein gebrochener Mann am Rande des Burnouts. Vinzent Redetzki tut sein Möglichstes, den geschlagenen freien Demokraten im schicken Dreiteiler zu mimen und seinen Verfall nachgerade expressionistisch darzustellen. Allein in der gröblichst gezeichneten Posse kommt kein Theaterspiel zustande, da die Akteure den primitiven Text nur chargieren können.

Theatralische Totgeburt an der Maximilianstraße

Ausgerechnet die FDP in einem Stück der Münchner Kammerspiele karikieren zu wollen ist ohnedies ein Unterfangen, von dem Theaterprofis von Anfang an abgeraten hätten, da es sich um verlorene Liebesmüh handelt. Denn die FDP ist ihrerseits die Parodie einer nationalliberalen Partei und sorgt selbst täglich für unüberbietbare Realsatire. Und welcher Darsteller wollte es mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann aufnehmen? In ihrer legendären Karnevalsshow als Vampirin gelang es der FDP-Politikerin mit satirischer Verve, den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz im Publikum als einen Mann ohne Humor und Selbstbeherrschung zu entlarven. Das war ein Moment, in dem Theater stattfand. Hier haben wir ihn erlebt, jenen kathartischen Effekt, auf den man im neuesten Ulkwerk an den Kammerspielen vergeblich wartet. Frau Strack-Zimmermann, das müssen auch ihre politischen Gegner einräumen, hat mehr dramaturgisches Gefühl im kleinen Finger als das in Ignoranz vereinte Möchtegern-Agitprop-Theater unserer Zeit.

Doping hätte angesichts der von Helmut Kohl angekündigten, aber nicht gelieferten »geistig-moralischen Wende« in den frühen achtziger Jahren, bei der Teile der FDP wie der Union mit Yuppies identifiziert wurden, vielleicht gepasst, aber auch damals schon ziemlich abgefeiert ausgesehen. Jetzt noch einmal die Leiche auszugraben und aufzuhängen, wie es die Katholiken mit Oliver Cromwell taten, wirkt gespenstisch. Das letzte Aufgebot des Neoliberalismus, die Karikatur seiner selbst, noch karikieren zu wollen, ist eine theaterfremde Schulhofidee. Und wenn man es schon nicht lassen kann, dann sollte man es mit echtem Humor und Wortwitz, kurz: mit einer gewissen Kultur vollbringen, so wie etwa der Chansonnier, Dichter und Sprachartist Bodo Wartke in seinem Lied Ich bin bei der FDP. Das ist geistreiche politische Satire mit einer poetischen Verve. Abdel-Maksouds kleinkarierte, spießige Dreckschleuderei jedoch führt eher zu Mitleid mit den Desperados von den Freien Demokraten. Doping ist kein politisches Theater. Mit seiner Politik entschuldigt es sich dafür, kein richtiges Theater zu sein und mit dem Theater wiederum, keine richtige Politik zu sein. Und das namhafte Schauspieler, allen voran Wiebke Puls als zynischer Modearzt Dr. Bob, bei dieser theaterfeindlichen Veranstaltung mitmachen, muss jeden Freund der Kammerspiele beunruhigen.

Pseudoenglisch in der Schmiere

Die Dramaturgen im Programmblatt sind hauptsächlich um ihre Sternchen besorgt und wollen uns allen Ernstes weismachen, das Stückchen beinhalte eine »Rezeption« feministischer Autoren wie Silvia Federici oder Emilia Riog sowie kapitalismuskritischer Theoretiker wie Drew Leder. Wer sich indes ernsthaft mit feministischer oder marxistischen Theorie auseinandersetzen will, der höre lieber den Podcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die auch eine extensive Auseinandersetzung mit Silivia Federicis Feminismus anbietet. Die Klage einer Figur über Hausarbeit bereits als Silvia-Federici-Rezeption aufzufassen ist ebenso unhistorisch wie undialektisch. Wer sich über den Stand zeitgenössischer Theorie informieren will, dem sei, neben der erwähnten Rosa-Luxemburg-Stiftung, vor allem auch der Youtube-Kanal Wohlstand für alle von Wolfgang M. Schmitt und Ole Nymoen empfohlen sowie Schmitts Kanal Die Filmanalyse.

Typisch für die Realschulversion von Gegenwartskritik, die uns die Kammerspiele anbieten, ist auch das Erstklässlerenglisch, dem man in dieser pseudopädagogischen Rumpelbude auf Schritt und Tritt begegnet. Das affige Getue in dieser Anstalt ist mit »prätentiös« zu schwach bezeichnet und folgt einer sozialen Aufsteigerstrategie. Das Kammerspiel-Pseudo- und Simple English ist das Analogon zu dem so angelegentlich in Doping karikierten Marketingenglisch einer Managerkaste, die ebenso oberflächlich, prätentiös und angeberisch ist wie die Kammerspiel-Yuppies. Doping ist nicht zuletzt eine Selbstbeschreibung. Wie ihre Kollegen in den klimatisierten Büros großer Konzerne leben auch die pseudolinken Yuppies von den Kammerspielen in einer Blase, die zum Theater, zur Politik und zum Alltag keinen Kontakt mehr hat. Und genau wie bei ihnen schnurrt alles auf inhaltsleeres Wortgeklingel zusammen.

Gehen Sie lieber ins Berchtesgadener Bauerntheater: dort herrscht noch eine Deckung von Anspruch und Wirklichkeit. Bis in den Dialekt hinein ist alles authentisch. In den Münchner Kammerspielen ist alles pseudo.

Doping” in den Münchner Kammerspielen
Falckenbergstr. 2
80539 München

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“Doping”: Pseudo-partisan provincial farce at the Munich Kammerspiele
The Munich Kammerspiele utilize five talented actors for a humorless and mindless political farce that demands a fresh start at the traditional theater, according to Stephan Reimertz. Theater is inherently political but loses its impact when it delves into current political affairs. Nora Abdel-Maksoud’s play “Doping” portrays an FDP politician failing in the neoliberal rat race. Vinzent Redetzki plays the broken young FDP politician, but the primitive script prevents genuine theater.

Caricaturing the FDP is unnecessary, as this party is already a parody of itself. Reimertz criticizes that the play might have been fitting in the 1980s, but today it merely appears eerie.

The misuse of renowned actors for this production is concerning. The pseudo-intellectual references to feminist and anti-capitalist theories are unhistorical and superficial. The Kammerspiele offer a superficial critique of contemporary issues, resulting in empty rhetoric.

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