Rezension von Barbara Hoppe.
So mancher wäre heute froh, wenn ihm die eine oder andere „News“ erspart bliebe. Es ist kaum vorstellbar, dass es aber auch Zeiten gab, in denen Menschen glücklich waren, wenn Hausierer, so genannte Kolporteure, oder Bänkelsänger in ein Dorf oder eine Stadt kamen und Geschichten zu Bildern auf Schautafeln erzählten. Ab dem 18. Jahrhundert konnte man diese „Einblattdrucke“ auch kaufen. Je nach Geldbörse als Holzschnitt oder Kupferstich. Je nach Geschmack mit Darstellungen von Schlachten oder mit Volkstümlichen.
Im 19. Jahrhundert erlebten diese Bilderbogen – dank der Lithographie – eine Blütezeit. Oft millionenfach produziert, kolorierten sie Frauen und Kinder von Hand häufig in Akkordarbeit. Inzwischen hatten sich auch die Motive erweitert: Religiöses, Kriege und Verbrechen brachten Abwechslung. Aber auch die Bildergeschichten von Wilhelm Busch erschienen hier – als Vorläufer der späteren Comics. Dank Gutenberg ging es mit den Bilderbogen noch einmal steil bergauf. Bis die Zeitung das Medium ablöste. Was folgte ist eine Flut an Bildern, die uns täglich überschwemmt und uns unempfindlich macht für das Einzigartige.
Nun ist es derzeit ja Trend, ein bisschen retro zu sein, auf Facebook und Co. zu verzichten, Digital-Detox-Zeiten einzulegen oder mit den eigenen Händen etwas zu schaffen und ganz offline kreativ zu sein, zu kochen, zu backen, zu stricken oder zu nähen.
Warum dann nicht auch Bilder wieder bewusster betrachten? Dachte sich die Büchergilde Gutenberg und belebt die wunderbaren Bilderbogen neu.
Nummer eins ist auch gleich ein echter Hingucker. Kein geringerer als der großartige Hans Traxler betextet (sparsam, aber gereimt) und illustriert (unverwechselbar pointiert und satirisch) die Geschichte um Mao Zedong und sein legendäres Durchschwimmen des Jang tse Kiang im Jahr 1966. Dass Traxler seine ganz eigene Version dieses Rekords hat, der von einer 15-km-Wanderung mit 5.000 Anhängern unter einer Stunde, Schwimmunterricht und Diskussionen begleitet war, versteht sich von selbst. Und dass der badende Klops recht ordentlich zum Schmunzeln einlädt, auch. Mehr zu verraten, hieße Traxlers Satire zu spoilern.
Viermal im Jahr soll der Bilderbogen erscheinen. Ausgewählte Illustratorinnen und Illustratoren präsentieren die Geschichten. Mal größer, mal kleiner, je nach Geschichte mal episodisch oder episch, mal kulturgeschichtlich, mal politisch-aktuell, mal Persönlichkeiten der Zeitgeschichte unter die Lupe nehmend, aber immer im Schuber und mit „Haltung und Humor“, wie Herausgeberin Cosima Schneider betont.
Der nächste Bilderbogen ist bereits in Planung. Dann geht es um Baron Münchhausen, der zu seinem 300. Geburtstag zu einer Richtigstellung ausholt. Denn was man heute über ihn lese, so beklagt er, sei alles verfälscht…
Büchergilde Bilderbogen
No.1: Drama am Yang tse Kiang
Büchergilde Gutenberg, Frankfurt 2019
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