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Dunkles Family Business: “Nachtarbeiter” von Brian Selfon

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Literatur

Von Barbara Hoppe.

„Nachtarbeiter“ sind jene Menschen, die im Verborgenen arbeiten. So wie Shecky Keenan. Der ausgebuffte Gangster ist Geldwäscher. Mit einem ausgeklügelten System hilft er dem organisierten Verbrechen, illegale Einnahmen in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf zu schleusen. Sein Neffe Henry, ein Heißsporn, den Shecky eigenhändig angelernt hat, koordiniert die Kuriere der Familie. Und Kerasha, Sheckys Nichte und gerade aus dem Knast entlassen, ist auf dem besten Weg, sich ins gut florierende Familienunternehmen einzugliedern. Doch seit einiger Zeit beunruhigen Shecky einige merkwürdige Zwischenfälle: Konten werden geschlossen, das Haus wird beobachtet und Emil Scott, einer von Henrys Kurieren, wird ermordet. Mit ihm verschwinden 250.000 Dollar. Und während Shecky voller Unruhe den Status Quo wiederherstellen will, verirrt und verwirrt sich Henry in Zwischenmenschliches, während Kerasha mit ihrem betreuenden Psychiater fertig werden muss. Das Familientriumvirat gerät aus der Balance. Können sich die Familienmitglieder noch gegenseitig vertrauen?

Wow, ein Wahnsinnsplot. Denkt man. Und dann auch noch geschrieben von jemandem, der es wissen muss. Brian Selfon arbeitete fast 20 Jahre in der New Yorker Strafjustiz, rund 15 davon in den Bereichen Geldwäsche und Mord ersten Grades. Wenn es einer kann, dann dieser Kenner der Szene. Und es mag ja sein, das Brooklyn so schäbig und abgewirtschaftet und kaltblütig ist wie es Selfon in seinem Debütroman beschreibt. In diesem Krimi ist man weit weg vom ewig glamourösen Manhattan und den schmucken Häuserreihen am Central Park. Hier findet man dunkle Gassen, zwielichtige Lokale und unbewohnte Wohnblocks, wo Menschen den Tod finden. Die Bewohner fahren U-Bahn, nicht Taxi. Eigentlich alles beste Voraussetzungen für einen dunklen Roman voller Nuancen, fein austariert, bei dem man nach der Lektüre das Gefühl hat als echter Insider die Geschäfte dieser Dunkelmänner gleich selbst übernehmen zu können.

So sparen die amerikanischen Kritiken auch nicht mit Lob. „Literarischer Krimi“, heißt es in der Publishers Week, „Bemerkenswert von Anfang bis Ende“ im Bookreport. Warmherzig, humorvoll, packend, bewegend und mit fein gezeichneten Figuren, kündigt es der Verlag an. In Seattle, wo der Autor inzwischen lebt, avancierte der Krimi sogar zum „Best Book of the Year“ der Seattle Times. Eine Familiensaga in Roman Noir seit dort gelungen.

Nun ja. Vielleicht muss man ein Fan etwas hölzerner amerikanischer Krimiliteratur sein, um in die Lobeshymnen einstimmen zu können. Doch wer unter Familiensaga eher die „Buddenbrooks“, „Les Thibaults“ oder „Krieg und Frieden“, meinetwegen noch „Der Pate“ versteht, hat mit „Nachtarbeiter“ das falsche Buch in den Händen. Drei Kriminelle in einem Haus machen noch keine Saga. Ein betont aufgesetztes Familienleben als Kontrast zum knallharten Gangsterdasein noch keine Charakterstudie. Für fein gezeichnete Figuren in einem realistisch beschriebenen Gangstermilieu lohnt eher ein Blick in Un-su Kims Drama über Seouls Bandenkrieger „Heißes Blut“.

„Nachtarbeiter“ bezieht seine Stärke aus der sicher realistisch dargestelltem unschönen Seite New Yorks. Sprachlich hämmert uns Brian Selfon seine oft knappen Sätze um die Ohren. Die drei Hauptfiguren folgen ihrer eigenen Agenda, was mitunter dazu führt, dass der Roman etwas unbeholfen in der Zeit hin- und herspringt. So reizvoll ein Perspektivwechsel mitunter sein kann, so wenig passt er in einen Krimi, wenn er zu Lücken führt. Dem Leser Erkenntnisse seiner Protagonisten vorzuenthalten ist ein schlechtes Stilmittel, um Spannung zu erzeugen und führt am Ende nur zu Enttäuschung auf der Leserseite. Versöhnlich dagegen ist der Schluss, der so manchen Leser sicher unversöhnlich zurücklässt. Doch gerade für dieses für Kriminalromane mutige Ende, Mr. Selfon, gebührt Ihnen eine tiefe Verbeugung.

Brian Selfon
a.d. Amerikanischen v. Sabine Längsfeld
Nachtarbeiter
Goya Verlag, Hamburg 2022
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