Wunderschöne Arien von Bellini, Bizet, Donizetti, Puccini und Verdi, viel Klamauk und ein Stummfilm mit Willlem Dafoe. Die Uraufführung „7 Deaths of Maria Callas“ der Performance-Künstlerin Marina Abramović, am Nationaltheater München nennt sich „Opernprojekt“. Rezension von Stephan Reimertz.
Die Enkelinnen von Maria Callas leben mitten unter uns. Wenn Hera Hyesang Park die Violetta sterben macht, Selene Zanetti als Tosca außer sich gerät, Lea Hawkins mit Desdemona ihr letzten Stündchen schlagen hört, Kianda Howarth in der Rolle der Cio-Cio-San uns ins Mitleiden reißt, Nadezhda Karyazina alias Carmen auftrumpft, Lucia die Lammamoor gesungen von Adela Zaharia uns die Tränen in die Augen treibt, oder Lauren Fagan uns als Norma zu einer emphatischen Erfahrung verhilft, dann wissen wir: Um den sängerischen Nachwuchs müssen wir uns keine Sorgen machen. Die Bayerische Staatsoper ermöglicht uns, die Callases von morgen heute schon zu hören.
Schade nur, wenn uns diese Kostbarkeiten nicht als Konzertabend dargeboten werden, sondern eingehüllt in ein Brimborium, welches auch die stärksten Opernbesucher-Nerven überstrapaziert. Die Veranstaltung, die sich vorsorglich nicht etwa Oper, sondern „Opernproduktion“ nennt, ist hier nämlich die Sterbephantasie von Maria Callas, welche, dargestellt von Marina Abramović, die ganze Zeit über im Bett liegt und parallel zu den Arien ihres Lebens einen valiumgetränkten Stummfilm mit Willem Dafoe (Filmregie: Nabil Elderkin) an sich vorbeiziehen sieht. Leider sehen die Zuschauer ihn auch. Hier wird als surrealistische Avantgarde zelebriert, was in Wirklichkeit platte Warenästhetik ist. Kapellmeister Yoel Gamzou rührt mit dem Bayerischen Staatsorchester und dem Extra-Chor die bekannten Arien mit Klangflächen von Marko Nikodijević zusammen. Der Lauttöner orientiert sich im Vorspiel an Debussy und Ravel, im allzu langen Nachspiel an Ligeti, die kosmisch klingenden Zwischenspiele ergänzt Marina Abramović mit unverbindlichen Begriffen in Simple-English. Am Ende säubern die Sopranistinnen als Reinigungskräfte das Sterbezimmer der Callas in der Avenue George V. Die Verbindung von Warenkult und Nekrophilie, die hier kokett zelebriert wird, kann man geradezu als Inbegriff des Westens ansehen; in Moskau oder Buoenos Aires wäre dieser Klamauk nachgerade unverständlich.
Die Rubrizierung des Kostümbildner sagt alles über diese unfreiwillige Selbstdarstellung unserer abgewrackten Gesellschaft: Riccardo Tisci for Burberry.
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