Rezension von Barbara Hoppe.
Wer hört nicht gern eine schöne Geschichte? In der immer von irgendwo ein Lichtlein herkommt, sodass es weiter geht, und das sogar noch besser, schöner und erfolgreicher als vorher. Kurz: Eine Lebensgeschichte voller glücklicher Wendungen. Jürgen Michaelsen ist so ein Glückskind. Freilich kennt den 1935 geborenen Bremer wohl kaum jemand unter diesem Namen. Aber YORN kennt man. Die Modemarke, die bei Karstadt zu Hause ist. Bei Kleidung, Handtüchern und Accessoires.
YORN ist Jürgen Michaelsen. Als er 1955 das erste Mal nach Paris kam, war schon lange klar, dass ihm Mode wichtiger als das Butterbrot war. Denn bereits kurz nach dem Krieg hatte er es als Zehnjähriger vorgezogen, seiner Mutter aus den Bauernhofferien statt der ersehnten Leckereien lieber sündige Dessous in schwarz-rot mitzubringen. Er erntete zwar viel Kopfschütteln, aber ein Jahrzehnt später betrat er französischen Boden und sollte dort bleiben. Denn von nun an jagte ein glücklicher Umstand den nächsten. Er landete bei Christian Dior, in dessen Modeatelier niemand den Namen „Jürgen“ aussprechen konnte. So wurde aus dem jungen Deutschen YORN. Er kämpfte sich durch, freilich in seiner autobiographischen Erzählung hört es sich eher wie ein netter Spaziergang an, und bereits sieben Jahre später eröffnete er sein eigenes Modeatelier in der französischen Hauptstadt. Was sicher nicht einfach war, kommt locker-flockig erzählt daher. Die erste eigene Modeschau? Ein Erfolg, aber das Haus war pleite: „Haus voll – Kasse leer“ ist der nüchterne Kommentar des Modemachers zu seiner Premiere unter eigenem Namen.
Und dann kommt Karstadt. Pariser Chic von YORN für die deutsche Frau. Für den Bremer geht es weiter nur bergauf. Wie an einer Perlenkette hängen die Glücksmomente und enden schließlich in der Provence. Hier hat sich Jürgen Michaelsen in Moissac ein Haus renoviert. Und Freunde gefunden. Jean-Jacques Sempé zum Beispiel. Ja, genau der, der so schön zeichnet. Und der sofort zusagte, ein Buch zu illustrieren, in dem YORN seinen beruflichen Weg mit den ihn damals begleitenden Gerichten beschreibt.
So ist eine Autobiographie mit zauberhaften Zeichnungen entstanden, die eher Erzählungen eines Freundes im Garten eines Hauses in der Provence gleichen. Hier geht es nicht um Herz-Schmerz, Lebens- und Liebesdramen, Familienglück und – fehden. Hier geht es einfach um einen Mann, der an sich und die Mode glaubte und dass ihn das Leben schon irgendwie tragen wird – um einen „Gast im Glück“.
YORN
Gast im Glück
Mit Zeichnungen von Sempé
Diogenes Verlag, Zürich 2020
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