Als „Maler auf Papier“ entdeckt das Kupferstichkabinett Berlin den Künstler ganz neu. Rezension von Barbara Hoppe.
„Bemerkenswert, einzigartig, spektakulär“ – man kann es kaum besser ausdrücken als Dagmar Korbacher, Direktorin des Kupferstichkabinetts in Berlin, angesichts der kleinen und größeren Kunstwerke eines sehr kleinen Mannes. Adolph von Menzel (1815 – 1905), der als das „Auge des 19. Jahrhunderts gilt“, zeigt sich in der aktuellen Ausstellung des Hauses als Meister des Malens auf Papier.
Über 6.000 Werke Menzels beherbergt das Kupferstichkabinett, der weltweit größte Bestand des Malers. Rund 100 hängen nun in neuer Zusammenstellung und unter neuer Betrachtung in den Räumen des Hauses. Aber nicht nur auf seinen Bestand und ausgewählten Leihgaben greifen die Kuratoren dieser wunderbaren Schau zurück. Ausschlaggebend für die Idee, Menzel neu zu entdecken, waren vielmehr ein Neuerwerb, ergänzt durch drei Rückgewinnungen. Die „Schlittschuhläufer“ aus dem Jahr 1855/56 konnte das Haus jüngst bei einer Auktion der Villa Grisebach erwerben. Die „Dame im Coupé“, die nun wieder neben ihrem „Herr im Coupé“ (beide 1859) hängt, die Studien- und Porträtskizze „Oberregierungsrath Knerk“ (1863/65), ein vorbereitendes Bild für das monumentale Gemälde „Krönung König Wilhelms I in Königsberg 1861“, sowie „Ein Schutzmann im Winter“ (1860/65) galten als Kriegsverlust, bis sie im Zuge der Ausstellungsvorbereitungen zurückgewonnen werden konnten.
Sie zeigen einmal mehr, das Menzel ein Meister seines Fachs war und nicht nur Leinwandgemälde und Bleistiftzeichnungen malen konnte. Aquarelle gaben ihm die Möglichkeit, das Luftig-Leichte wie Wolken und Rauch zu Papier zu bringen, Pastelle dienten für das Experimentelle und Fragmentarische, Gouachen mit ihren deckenden Farben und diverse Mischtechniken hielten Zeitgenössisches und Historischen fest. Immer wieder modelliert er mit der weißen Blattfläche, die durch seine Kunst ungeahnte Tiefe erhält. Gelbliche, bräunliche oder elfenbeinfarbige Papiere nutzte er vor allem für seine Pastelle und Gouachen.
Die einzigartige Schau versammelt – chronologisch und nach Technik geordnet – fragmentarische Studien ebenso wie ausgefeilte Kompositionen und Modellstudien, wie die für Prinzessin Wilhelmine (Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth), deren festliches Kleid Menzels herausragende Weiß-Technik widerspiegelt. Herrlich anzuschauen sind die ungewöhnlichen Blickwinkel, die Menzel fand, wie etwa die „Rüstungen hinter einem Keilrahmen“ aus dem Jahr 1866. Atmosphärisch hingegen sind der „Aschermittwochmorgen in der Hildebrandschen Privatstrasse zu Berlin“ von 1885 und natürlich die stimmungsvollen „Schlittschuhläufer“, von denen sich Vorstudien in seinem kleinen Notizbuch finden, das als Faksimile in die Hand genommen werden darf.
Es lohnt, sich die Ausstellung im Rahmen einer Kuratorenführung anzuschauen. Die Begeisterung des Teams aus Anna Maria Pfäfflin und Georg Josef Dietz vom Kupferstichkabinett sowie Werner Busch (ehemals Freie Universität Berlin) und Claude Keisch (ehemals Alte Nationalgalerie) überträgt sich auf den Besucher. Aber auch ohne Worte macht die Ausstellung deutlich: Sie gehört zu besten, die dieser Kunstherbst der Stadt zu bieten hat.
Menzel. Maler auf Papier
Ausstellung bis zum 19. Januar 2020
Katalog zur Ausstellung
Kupferstichkabinett
Matthäikirchplatz
10785 Berlin
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 10 bis 18 Uhr
Samstag und Sonntag: 11 bis 18 Uhr
Montag: geschlossen
16 Euro/8 Euro
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