Von Ingobert Waltenberger.
Couperin „Le Grand“, wie er genannt wurde, war Organist, Cembalist und Hofkomponist von Louis XIV., als „Maître de clavecin des enfants de France“ unterrichtete er Prinzessinnen und Prinzen.
„Les Nations“ – Les Talents Lyriques“, Christophe Rousset
Christophe Rousset, einer der weltbesten Cembalisten und ein gewiefter Couperin-Kenner (er hat auch ein Buch über den Komponisten geschrieben), spielte mit seinem Originalklangensemble „Les Talents Lyriques“ nun die vierte Sammlung instrumentaler Kammermusikwerke aus dem Jahr 1726 ein. In Wahrheit sind die Stücke über einen Zeitraum von 35 Jahren verteilt entstanden. Unter dem übergeordneten Titel „Les Nations“ publiziert, hören wir jeweils stilistisch unterschiedliche italienisch angehauchte Triosonaten als Vorspiele für französische Suiten verschiedener barocker Tänze. Die umfangreiche Sammlung gliedert sich in vier Teile mit den Bezeichnungen „La Française“, „L’Espagnole“, „L’Impériale“ und „La Piémontaise“. Letztere beziehen sich nicht auf musikalische Eigenheiten der Stücke, sondern lediglich auf die vier politischen Mächte, die damals in Couperins persönlicher Welt maßgeblich waren.
Die sechs- bis achtsätzigen Triosonaten haben die Italiener Corelli und Lully (in Florenz geboren) zum Vorbild. Sie beschreiben in französischer Terminologie den Charakter oder das Tempo der frei aneinander gefügten Sätze. Insgesamt einen sich unkomplizierte meist kurze Melodien, eine expressive Chromatik, schneidende Rhythmen und ein komplex ausgeführter Kontrapunkt zu typisch höfischer, hochartifizieller Musik.
Christophe Rousset lässt mit seiner technisch vorzüglich, rhythmisch prägnanten Interpretation das französische 18. Jahrhundert im Zeichen von „les goûts réunis“ wieder aufleben. Violinen, Flöten, Oboen, Fagott, Viola da gamba, Théorbe und Cembalo stehen ganz im Dienste eines formal majestätischen Zeremoniells. Bei den langsameren Sätzen wäre bisweilen ein Mehr an Laissez-faire der sonst auch klangtechnisch hervorragenden Aufnahme wünschenswert gewesen. Ansonsten ist diese von Rousset persönlich instrumentierte Fassung von „Les Nations“ ein Glanzlicht in der Couperin-Diskographie.
Les Nations
2 CDs
Christophe Rousset
Les Talents Lyriques
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Kompilation „COUPERIN et MOI“ – Lieblingsstücke von und mit Christophe Rousset
Lassen wir doch den Musiker, der die Stücke des Doppelalbums ausgewählt und auch musiziert hat, zu Wort kommen. Christophe Rousset, den wir schon anlässlich der Präsentation der CD „Les Nations“ kennen gelernt haben, beschreibt in seinem Vorwort seine Sichtweise auf Couperin: Es gäbe nur wenige Komponisten, die sich so langsam erschließen wie dies bei Couperin der Fall wäre. Alle Raffinessen der Musik eröffnen sich vergleichbar äußerst komplexen Duftstoffen nur mit der Zeit. Rousset zieht passenderweise den Vergleich mit Watteau und Marivaux heran, was Poesie, Humor, delikate Farbführung/Pinselstrich und exquisite Kunstfertigkeit der Musik anlangt.
Das Programm ist ein „best of“. Es handelt sich um Stücke für Cembalo solo, für Orchester oder im Falle der Klagemotette für die Karwoche „Leçon de Ténèbres du Mercredi Saint“ um Vokalmusik. Die beiden CDs geben einen guten Überblick von Highlights aus Couperins Schaffen und eignen sich gut als Einstieg in die bezaubernde Welt eines untergegangenen klingenden Universums.
Couperin & Moi
2 CDs
Christophe Rousset
Les Talents Lyriques
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„Pièces de clavecin troisième livre“ mit Blandine Verlet
Reine Cembalomusik war das eigentliche Atout in Couperins Schaffen. Die am 30. Dezember 2018 verstorbene fanzösische Legende Blandine Verlet erweist mit ihrem letzten noch zu ihren Lebzeiten veröffentlichten Album Couperin die Ehre. Die ebenso sanfte wie streitbare Künstlerin war vom artistischen Temperament her so ziemlich das Gegenteil von Christophe Rousset. Pflegt letzterer eine hohe Tempokonstanz und zielt auf formale Vollendung, so sind Verlets Markenzeichen traumwandlerisch zelebrierte Rubati, mit dem Ergebnis von Ewigkeitssekunden, in denen die Musik im Raum zu schweben scheint. Sie konnte mit ihrem Instrument schmeicheln, aber in der Interpretation auch unerwartet die Krallen ausfahren. Verlet, die instinktbegnadete Musikerin, erteilte keine historischen Lektionen. Ihre vielleicht manchen als exzentrisch scheinende Art des Spiels ist stets künstlerisch riskant sowie voll innerer Anteilnahme. Auf der CD offenbart sich ein Wunder an expressiven Nuancen und mitreißender Erzählkunst. Verzierungen sind so flüchtig und poetisch wie Reflexe auf fließendem Wasser.
Das dritte Buch ist das bildreichste unter den Cembalosammlungen Couperins. Im Zentrum stehen „Les Folies françaises“ oder „Les Dominos“, ein pittoresk galantes Divertissement in zwölf Variationen. Wir werden Ohrenzeugen eines Maskenballs. Die einzelnen Allegorien tragen Mäntel, denen jeweils eine Farbe zugeordnet ist. Sie reichen von „La Virginité“ (unsichtbar), „La Pudeur“ (rosa), „L’Ardeur“ (scharlachrot), L’Espérance“ (grün) bis hin zu „La Langueur“ (violett), „La Coquetterie“ (bunt), Les Vieux Galants“ (purpur), „Les Coucous bénévoles“ (gelb) oder „La Frénésie ou le Désespoir“ (schwarz).
Fazit: Wir haben es mit einem jener seltenen Alben zu tun, die mehr sind als bloße Musik. Es ist Bekenntnis und Wahrhaftigkeit, künstlerisches Vermächtnis und Glück für den Musikfreund zugleich.
Die Cembalistin beschließt die CD mit „La Favorite“, entliehen aus dem ersten Buch.
Blandine Verlet
Pièces de Clavecin
Aparte 2018
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