Rezension von Barbara Hoppe.
Man darf aufatmen. Denn es ist wirklich „Fast ein Wunder“. Ein Wunder, dass David Krems nach seinem bemerkenswerten Debütroman „Falsches Licht“ von 2018 nicht in die Falle des „Dasselbe nur in Grün“ getappt ist.
Zwar treffen wir auch in seinem neuen Roman auf eine mysteriöse Ausgangslage und eine spannende Suche, doch findet Krems in seinem neuen Buch einen anderen Ton. Dominiert in „Falsches Licht“ Retro-Look und analoges Leben, tauchen wir in „Fast ein Wunder“ ein in das Prekariat der Selbständigen, in die Mühlen der Asylpolitik, in Intrigen und Korruption.
Fabian ist Journalist. Und er war auch einmal richtig gut. Bis sein Leben durcheinandergeriet, als Frau und Kind ihn verließen und berufliche Chancen verpufften. Fast ohne Aufträge hangelt er sich seitdem durch die Tage, trinkt und raucht zu viel, verschläft die Vormittage und schreibt von Zeit zu Zeit für das Sensationsblatt Von Tag zu Tag. Bis der Wien Marathon die Wende bringt. Denn zur Überraschung aller taucht in der Spitzengruppe ein unbekannter Mann auf, der eine Sensation schaffen könnte. Als er jedoch noch vor dem Zieleinlauf von der Bildfläche verschwindet, ist der Hype um den Mann schnell vorbei. Nicht jedoch für Fabian, der sich an dem ungewöhnlichen Lauf festgebissen hat. Der spürt, dass mehr dahinter stecken muss als ein Marathon. Seine Recherchen führen ihn zu Bumble, einen Asylbewerber, der mit dem Lauf auf seine missliche Lage aufmerksam machen wollte und dann wegen einer Verletzung aufgeben musste. Eine Verletzung, die in ein Gestrüpp undurchsichtiger Geschäfte führt, an deren Ende nicht nur in Fabians Leben einiges ordentlich durcheinander gerät.
Das Wiener Foto-, Film- und Schreibtalent David Krems schreibt mit „Fast ein Wunder“ nicht nur eine flotte Story um einen Journalisten, der eine heiße Spur aufnimmt, sondern gleichzeitig einen Gesellschaftsroman, der die Untiefen von Politik und Fluchtdramen auslotet. Dabei zeichnet er auch vier Porträts von Menschen, die in dem Sumpf aus kriminellen Machenschaften und Aufrichtigkeit ihren Weg suchen und finden. Ähnlich wie in „Strenge Rechnung“ von Stefan Peters lernen wir in „Fast ein Wunder“ ein sympathisch unsympathisches Wien kennen und mit ihm nicht nur Fabian, sondern eine Ministerialbeamtin, einen Zeitungsverleger und einen Asylsuchenden. Sie alle sind auf der Suche nach Glück und einem sinnhaften Leben. Diese Suche versteht David Krems bemerkenswert schnörkellos zu verpacken in eine gut durchkomponierte Story, spannend und mit dem Potenzial, auch auf der Leinwand eine gute Figur zu machen.
David Krems
Fast ein Wunder
Picus Verlag, Wien 2019
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