Die Alte Pinakothek zeigt Florentiner Tafelmalerei der Zeit um 1500 aus königlichem Bestand und ergänzt sie mit Leihgaben aus aller Welt. Es entsteht das Bild einer Epoche, in der Werte wie Klarheit und Schönheit hochgehalten wurden. Von Stephan Reimertz.
In Bayern haben Kurfürsten und Könige das Volk von jeher zur ästhetischen Anschauung erzogen. Die Alte Pinakothek tritt nun in die Fußstapfen der hochherzigen Fürsten und bietet den Besuchern eine pädagogisch durchkomponierte Ausstellung Florentiner Tafelmalerei. Der Schwerpunkt liegt auf dem Altar- und Madonnenbild, andere Typen und Gattungen sind am Rande berücksichtigt. Disziplin, Klarheit und durchdringende Selbstachtung sind für die aristokratische Oberschicht im Florenz jener Tage verbindlich. Maso Finiguerra bleibt es vorbehalten, mit der kleinen Zeichnung eines Knaben mit Kappe aus den Uffizien (um 1450/60) die programmatische Darbietung zu eröffnen. Wer regelmäßig die Pinakothek besucht, dem wird es in der Folge gehen wie einem Mann, der alten Bekannten in Gesellschaft ihrer Verwandten wiederbegegnet. So können vertraute Florentinische Bilder aus den Wittelsbacher Sammlungen in ihrem Umfeld neu erfahren werden.
Stil und Haltung als Insignien des europäischen Menschen
Filippino Lippis Bildnis eines jungen Mannes (um 1485) aus der National Gallery of Art in Washington dient als Gallionsfigur und Plakat der monographischen Ausstellung. Sie zeigt den Betrachtern in der ganzen Stadt, bevor sie überhaupt in der Pinakothek angekommen sind, genau das, was die europäischen Städte derzeit entbehren, was aber Voraussetzung der europäischen Kultur ist: eine stilbildende Oberschicht. Den Münchnern wohlvertraute Gemälde aus dem Besitz der Wittelsbacher wie Sandro Botticellis Beweinung Christi (um 1490/95) sind ergänzt mit zahlreichen Werken aus den Uffizien wie dem Bildnis einer Frau im Profil Piero Pollaiuolo, oder Sandro Botticellis Anbetung des Kindes durch die Heiligen Drei Könige (um 1475), aber auch aus anderen Teilen der Welt, wie dem Bildnis einer Frau (1470-1475) von Botticelli aus London, oder der Verlobung von Jason und Medea von Biagio d’Antonio (1487) aus Paris.
Zwei Semester Kunstgeschichte an einem Nachmittag
Mit dem aufgeschlagenen Stundenbuch der Lucrezia de‘ Medici von Francesco Rosselli und Gherardo di Giovanni (um 1485) aus der Bayerische Staatsbibliothek ist sogar die Buchmalerei berücksichtigt. Die Ausstellung ist lehrhaft aufgezogen und verfügt über Schautafeln mit technischen und topographischen Hintergrundinformationen. Wer hier konzentriert und aufmerksam einen Nachmittag verbringt, hat zwei Semester Kunstgeschichte gespart. Der preußisch-amerikanische Stil, in dem solche Ausstellungen bis in die Führungen hinein abgehalten werden, lenkt freilich vom Geist aristokratischer Selbstachtung ab, wie sie für die Kunst in Florenz um 1500 prägend ist. Damals sprach man von rinascimento, und so kann uns auch diese Ausstellung daran erinnern, wie eine Wiedergeburt des europäischen Geistes jederzeit möglich ist.
Florenz und seine Maler: Von Giotto bis Leonardo da Vinci
Ausstellung bis zum 27. Januar 2018
Katalog zur Ausstellung
Alte Pinakothek
Barer Str. 27
80333 München
Öffnungszeiten:
Dienstag und Mittwoch: 10 bis 21 Uhr
Donnerstag bis Sonntag: 10 bis 18 Uhr
montags geschlossen
12 Euro/9 Euro
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