Man stelle sich vor: Budapest im Jahr 1944. Unbarmherzig deportieren die Nazis die jüdische Bevölkerung. Auch Elsa Tabori, leidenschaftliche Romméspielerin, ist bedroht. Doch um ihre regelmäßigen Spielenachmittage nicht zu versäumen, nimmt sie die Gefahr in Kauf – und wird prompt auf dem Weg verhaftet. An der Sammelstelle, wo die Gefangenen nach Auschwitz deportiert werden sollen, wehrt sich Elsa und behauptet, den Schutzpass des Schwedischen Roten Kreuzes zu besitzen, ihn nur nicht dabei zu haben. Ein Stück Papier, so weiß sie, das sie vor der Deportation schützt. Der befehlshabende SS-Offizier ist über die Courage der Frau so überrascht, dass er sie ziehen lässt. Elsa kehrt zurück und kommt rechtzeitig zu ihrem Romméspiel.
George Tabori schrieb seine autobiographische Erzählung „Mutters Courage“ 1979. Im selben Jahr arbeitete er sie zur Bühnenfassung um, die in den Münchner Kammerspielen mit Hanna Schygulla in der Hauptrolle aufgeführt wurde. 1995 entstand der Film, in dem George Tabori sich selbst spielt, unter der Regie von Michael Verhoeven.
Theaterschule Rixdorf und 48 Stunden Neukölln
Mit nur zwei Personen kommt „Mutters Courage“ nun in Neukölln auf die Bühne. Im Rahmen des Kulturfestivals „48 Stunden“ Neukölln“ inszeniert Hardy Kistner mit zwei Laienschauspielern diese unglaubliche Geschichte einer Rettung.
Feuilletonscout: War es schwierig, aus einer Bühnenfassung, in der man locker 20 Rollen besetzen könnte, ein Zwei-Person-Stück zu machen?
Hardy Kistner: Unsere Idee war von Anfang an, dass alle auftretenden Figuren von zwei Schauspielern gespielt werden. Ja, es war eine Herausforderung das Stück in dieser Richtung bearbeiten. Ich glaube, dass es uns ganz gut gelungen ist eine spannende Fassung zu erarbeiten, die die Zuschauer auf eine berührende Reise mitnimmt. Uns war es wichtig neben der Geschichte, über die Mutter Taboris, die an einem Sommertag im Jahre 1944 in Budapest festgenommen, nach Auschwitz deportiert wird und am gleichen Tag durch Mut und Courage als Einzige Überlebende zurückkommt, auch die Beziehung zwischen Mutter und Sohn zu erzählen. Es ist ein Theaterstück gegen das Vergessen und gleichzeitig zeigt es sehr menschliche Menschen
Feuilletonscout: Sie leiten die Theaterschule Rixdorf, bieten dort Theater-, Improvisations- und Gesangskurse an. „Mutters Courage“ führen sie ebenfalls mit Laienschauspielern auf. Was macht den Reiz aus, mit Amateuren zu arbeiten?
Hardy Kistner: In unseren Kursen sind wir ständig auf Entdeckungsreise, diese Arbeit ist wirklich spannend und macht Spaß. Wir begleiten unsere Schüler auf dem Weg in die eigene Phantasie, unterstützen mit der richtigen Technik, – vor allem im Gesang und geben Denkanstöße! Wer wirklich etwas in seinem Leben will, einen Gestaltungswillen hat und sich die Neugier auf die Dinge erhalten hat, bei dem macht es auch Spaß hinzugucken. Egal ob Laie oder Profi! Ich habe lange an einem großen Theater gespielt, wo einige Schauspieler bereits seit über 30 Jahren engagiert waren,- das waren teilweise Darstellungsbeamte, das war mitunter sehr langweilig. Neben der Arbeit mit Theaterlaien arbeiten in der Theaterschule-Rixdorf auch mit Bühnenprofis, die z.B. ihre Vorsprechrollen auffrischen oder die für ihren Rollen Unterstützung und Coaching suchen.
Feuilletonscout: Sie bieten in Ihrer Schule auch Kurse an, um im Beruf selbstsicherer zu werden und Techniken zu entwickeln, um souverän öffentliche Auftritte zu meistern. Sie selbst sind Schauspieler mit eigener Bühnenerfahrung. Verstehen Sie sich mehr als Schauspieler oder als Trainer?
Hardy Kistner: Vielen Dank für diese Frage. Ich verstehe mich mittlerweile als Schauspieler und Trainer, beides gleichberechtigt! Eine Vorliebe gibt es da nicht für mich. Ich liebe es selbst auf der Bühne zu stehen. Wir haben in unsere Agentur:“Die KulturMACHER“, die ich mit meiner Frau gegründet habe, verschiedene Krimidinnerformate entwickelt und auf die Bühne gebracht. Hier spiele ich u.a. die Rolle des „Al Capone“. Eine humorvolle, ernsthafte und auch tragische Figur. Eine tolle Rolle, die ich sehr gerne spiele. Auf der anderen Seite haben wir das Individual Coaching in der Theaterschule, wo wir Menschen unterstützen ihre Hemmungen und Blockaden abzubauen. Da ist es enorm wichtig genau hinzusehen und herauszufinden mit welchen Tipps & Tricks wir die Leute unterstützen können. Eine sehr spannende Aufgabe für mich! Beide Arbeitsbereiche, die Schule und unsere eigenen künstlerischen Projekte machen mir unglaublich viel Spaß und „befruchten“ sich gegenseitig. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und kann gleichzeitig andere dabei unterstützen diesen Weg für sich zu entdecken, das ist wunderbar.
Begleitend zum Stück ist im Mobilen Museum Neukölln die Ausstellung „Ausgestoßen und verfolgt“, die jüdische Bevölkerung während des Nationalsozialismus in Neukölln“ zu sehen.
48 Stunden Neukölln
„Mutters Courage“ von George Tabori
Veranstalter: Theaterschule Rixdorf
Termine:
27.06. um 20 Uhr,
28.06. um 17 Uhr+ und um 20 Uhr,
29.06. um 17 Uhr
Veranstaltungsort:
Kutschen-Schöne
Richardplatz 18
12055 Berlin
Eintritt frei – Spenden erbeten –
Voranmeldung erwünscht: info@theaterschulerixdorf.com bzw. (0)30 58879665
Pingback: Tipp zum Wochenende: „1. Open Stage“ bei „48 Stunden Neukölln“ | Feuilletonscout
Wunderbarer Artikel!
Ich selbst bin auch Schüler bei Hardy Kistner (Impro) und sehr begeistert!
Toller Artikel! Und ich kann nur bestätigen, was Hardy Kistner im Interview gesagt hat. Ich bin selbst Teilnehmerin einer seiner Workshop (Impro-Theater) und es macht mir sehr viel Spaß. Ja, man muss auch mal an seine Grenzen gehen, aber man lernt unglaublich viel dabei, auch über sich selbst. Die Tipps und Tricks sind großartig und kann ich bei meiner Dozententätigkeit gut gebrauchen.