Von Barbara Hoppe.
Es überrascht immer wieder, wenn ein Roman einen mit einer recht einfachen und nicht neuen Geschichte gefangen nimmt. Einen mit einem sanften Schaukeln für sich gewinnt. Mit klarer Sprache rauen Typen Herzenswärme abtrotzt. Und man merkt: Das Leben ist mehr als Job und Stadtwohnung, Hetzerei und Termindruck.
„Mitternachtsschwimmer“ von Roisin Maguire ist so ein Roman. Im irischen Dorf Ballybrady, eingebettet zwischen Meer und sanften Hügeln, lebt die etwas ruppige Grace allein mit ihrem hässlichen Hund. Sie ist eine Einzelgängerin, schwimmt bei jedem Wetter im Meer und lebt im Einklang mit der Natur und ihren täglichen Besorgungen. Ihr Elternhaus, ein altes Cottage, das sie an Touristen vermietet, hilft ihr, finanziell über die Runden zu kommen. Touristen wie Evan, der nach dem Tod seiner Tochter mit Schuldgefühlen, Trauer und einer kriselnden Ehe anreist. Eine Woche Ruhe soll ihn wieder auf Spur bringen. Aber dann bricht die Corona-Pandemie aus. Evan sitzt fest und zu allem Überfluss überantwortet ihm seine Frau – plötzlich systemrelevant – den gemeinsamen tauben Sohn Luca.
Bekannte Motive, neu erzählt
Und wie es dann immer so ist: In der kleinen, etwas schrulligen Dorfgemeinschaft lernt der Städter etwas kennen, das ihn ins Leben zurückführt: Muße und Nachbarschaftshilfe, Ehrlichkeit und Fürsorge, Vertrauen nach anfänglichem Misstrauen. Und auch das Verhältnis zu seinem achtjährigen Sohn verändert sich in dem Maße, wie der Junge im Dörflichen an Selbstvertrauen gewinnt. Zugegeben, das ist alles nicht wirklich neu. Die Motive sind altbekannt. Neu jedoch ist, mit welcher Intensität, mit welcher Spannung und mit welch feinem Humor Roisin Maguire die Geschichte erzählt. Sie findet eine Sprache, die zu Herzen geht. Mit Leichtigkeit drückt sie das Schwere aus, tastet sich behutsam an das Seelenleben ihrer Protagonisten heran, öffnet es und lässt Gefühle zu. Während die Welt in der Pandemie den Atem anhält, atmet das kleine Dorf mit seinen Bewohner tief durch, findet zueinander und zu sich selbst.
Fazit: Ein lesenswertes Debüt
Roisin Maguires Debütroman ist ein zart funkelndes, Wärme gebendes Stück Literatur, dessen Lektüre man uneingeschränkt empfehlen kann.
Roisin Maguire
Mitternachtsschwimmer
a. d. Englischen von Andrea O’Brien
DuMont Buchverlag, Köln 2024
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‘Midnight Swimmer’ by Roisin Maguire: Warmth of heart in an Irish village
It’s always surprising when a novel captivates you with a fairly simple and not entirely new story. One that gently sways you into its embrace. That wins you over with clear language, extracting warmth from rough characters. And you realize: life is more than just a job and a city apartment, rushing around and the pressure of deadlines.
Rough heart warmth
“Midnight Swimmer” by Roisin Maguire is such a novel. In the Irish village of Ballybrady, nestled between the sea and gentle hills, the somewhat gruff Grace lives alone with her ugly dog. She’s a loner, swims in the sea in all weathers, and lives in harmony with nature and her daily chores. Her parents’ house, an old cottage that she rents out to tourists, helps her make ends meet. Tourists like Evan, who arrives burdened with guilt, grief, and a troubled marriage after the death of his daughter. A week of peace is supposed to get him back on track. But then the coronavirus pandemic breaks out. Evan is stranded, and to make matters worse, his wife—now suddenly an essential worker—entrusts him with their deaf son Luca.
Familiar motifs, retold
And as it always happens: in the small, somewhat quirky village community, the city dweller discovers something that seemed forever lost: leisure and neighborly help, honesty and care, trust after initial suspicion. And the relationship with his eight-year-old son changes as the boy gains confidence in the village setting. Admittedly, none of this is entirely new. The themes are well-known. What is new, however, is the intensity, the suspense, and the fine humor with which Roisin Maguire tells the story. She finds a language that touches the heart. With ease, she expresses the heavy, carefully exploring the inner lives of her protagonists, opening them up and allowing emotions to surface. While the world holds its breath during the pandemic, the small village and its inhabitants take a deep breath, finding themselves and each other.
Conclusion: A debut worth reading
Roisin Maguire’s debut novel is a delicately sparkling, warmth-giving piece of literature that can be wholeheartedly recommended.