Rezension von Birgit Koß.
Die 41-jährige Sarah Lapido Manyika ist in Nigeria aufgewachsen, hat in Kenia, Frankreich und England gelebt und wohnt nun in San Francisco, genauso wie die Protagonistin ihres ersten Romans. Er erzählt auf überaus humorvolle und sympathische Weise über einige Tage aus dem Leben der 75-jährigen Morayo da Silva, die ebenfalls in Nigeria geboren wurde. Die lebenslustige, exzentrische, noch immer sehr gut aussehende Frau kleidet sich in grellbunten Farben mit afrikanischen Tüchern und fährt rasant mit ihrem alten Porsche Buttercup durch die Gegend. Zu jedem Geburtstag probiert sie etwas Neues aus. War es letztes Jahr ein Fallschirmsprung, liebäugelt sie diesmal mit einem Tattoo.
Morayo hat als Botschaftergattin auch in London, in China und Indien residiert. Nach ihrer Scheidung arbeitete sie als Literaturprofessorin in San Francisco. Ihre besten Freunde sind inzwischen ihre Bücher und ihre Tage mäandern zwischen den Gedanken an ihre bewegte Vergangenheit und ihren kleinen Alltagsbegegnungen hin und her. Beispielsweise leert Morayo nie ihrem Briefkasten, damit der chinesische Briefträger Li Wie einmal wöchentlich persönlich bei ihr vorbeischaut. Sie trifft gern das palästinensische Geschwisterpaar Amirah, die phantastische Torten bäckt und ihren Bruder Dawud, der einen Blumenladen hat, spricht eine junge Obdachlose an und ist mit der Yogalehrerin Sunshine befreundet, für deren Kinder Morayo eine Art Großmutter darstellt. Und dann gibt es noch die kleinen und die großen Einbrüche in den eher sorglosen Alltag. Das Kraftverkehrsamt will eine ärztliche Überprüfung ihrer Sehkraft – eine Katastrophe bei ihren schlechten Augen. Und kurz vor ihrem Geburtstag stürzt sie mit ihren neuen, knallroten High Heels und findet sich in einem Pflegeheim zur Rehabilitation wieder. Auch hier trifft Morayo andere ebenfalls liebenswerte Außenseiter. Sei es Reggie aus Guyana, der seine demente Frau Pearl täglich im Heim besucht oder die liebevolle Schwester Bella aus Nicaragua, deren Leben auch schon bessere Tage gesehen hat.
Geschickt wechselt die nigerianische Autorin Sarah Lapido Manyika die Perspektive und die Zeiten. Nicht nur Morayo, auch die anderen Figuren treten als Ich-Erzähler auf, so dass Morayos Selbstwahrnehmung durch die anderen Personen kontrastiert wird. Sie stellt dem Leben in San Francisco die Bedingungen in Nigeria gegenüber und auch die Politik findet Einzug mit der Beschreibung des Massakers durch Boko Haram in Jos, Morayos Geburtsstadt.
Eine ganz wichtige Rolle spielt außerdem die Literatur. Da gibt es einen Menge Verweise auf die Rolle der Frauen. Morayo hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Ende einiger Romane umzuschreiben, „so dass es mit einigen der weiblichen Figuren, die in der Originalversion scheitern mussten, in meiner Vision ein gutes Ende nahm. Mrs Manstey starb nicht bei einem Brand … Ophelia verlor nicht den Verstand…. Dasselbe gilt für Jane Eyre und Antoinette Cosway.“ Auch der Romantitel „Wie ein Maultier, das der Sonne Eis bringt“ hat eine literarische Wurzel. Die Zeile stammt aus dem Gedicht „Donkey On“ von Mary Ruefle.
Die Geschichte der lebenslustigen, leicht skurrilen Morayo da Silva ist wunderbar humorvoll erzählt, voller Leben und inhaltsreich trotz der Kürze, so dass es überaus bedauerlich ist, dass der Roman so schnell zu Ende geht und der Wunsch entsteht, diese Dame im wirklichen Leben zu treffen. Sarah Lapido Manyika hat in einem Interview verraten, dass ihr dies in San Fransisco tatsächlich passiert sei. Sie habe das Alter Ego ihrer Romanheldin getroffen, allerdings erst kurz nachdem sie ihr Buch beendet hatte.
Sarah Ladipo Manyika
Wie ein Maultier, das der Sonne Eis bringt
Aus dem Englischen von Monika Baark
Hanser Berlin, München 2019
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