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IDOminiO: Mozarts Idomeneo auf der Kleinsten Bühne der Welt

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Gloriose Rückkehr von Mozarts Jugendwerk an den Ort seiner Uraufführung: Hedwig Rost und Jörg Baesecke bringen Idomeneo als IDOminiO auf die Kleinste Bühne der Welt. Das Dramma per musica, einst in der Kurfürstlichen Residenz zu München uraufgeführt, erlebt seine Wiederauferstehung als aphoristisches Koffertheater ein paar Räume weiter: Die Wiedergeburt des Theaters aus dem Geiste des Koffers! Von Stephan Reimertz.

Das Königliche Drama im Schnelldurchlauf

Ein königlicher Schlamassel (und ein bisschen Meeresungeheuer)… Achtung, liebe Operngänger! Hier kommt die Kurzfassung von Mozarts Idomeneo, der Oper, die beweist, dass auch Götter einen schlechten Tag haben können und dass Versprechen manchmal ganz schön ins Auge gehen. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein König namens Idomeneo und haben gerade einen ziemlich heftigen Sturm überstanden. Aus lauter Panik versprechen Sie dem Meeresgott Neptun, das erste Lebewesen, das Sie nach der Rettung sehen, zu opfern. Klingt nach einem guten Plan, oder? Nun, das Problem ist nur: Das erste Lebewesen, das Idomeneo nach der Rettung sieht, ist ausgerechnet sein eigener Sohn, Idamante. Und der ist nicht gerade begeistert von der Idee, ein Opferlamm zu werden.

Was folgt, ist ein Drama der Extraklasse: Idamante ist verliebt: In eine Prinzessin aus Troja namens Ilia. Die wiederum ist in ihn verknallt. Aber was soll man schon machen, wenn der eigene Vater einen für ein Meeresungeheuer hält? Elektra ist sauer: Die Tochter des Agamemnon ist auch auf Kreta und total eifersüchtig auf Ilia. Sie will Idomeneo für sich gewinnen und stiftet ordentlich Zwietracht. Ein Ungeheuer taucht auf: Natürlich darf in einer guten Oper ein Meeresungeheuer nicht fehlen. Dieses Monster blockiert den Hafen und sorgt für zusätzliche Spannung. Ein Orakel spricht: Am Ende gibt es dann doch noch eine Lösung. Ein Orakel verkündet, dass Idomeneo abdankend ist und Idamante König wird. Alle sind glücklich, außer vielleicht Neptun, der sich jetzt wohl einen neuen Opferkult suchen muss. Von Liebe über Verrat bis hin zu göttlicher Einmischung ist alles dabei. Ein bisschen Humor darf nicht fehlen: Auch wenn das Thema eigentlich ziemlich ernst ist, gibt es in der Oper einige komische Momente. Idomeneo ist eine Oper voller Leidenschaft, Intrigen und überraschenden Wendungen. Mozart hat hier ein Meisterwerk geschaffen, das auch heute noch begeistert und das zum ständigen Repertoire des internationales Opernbetriebs zählt.

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Hedwig Rost und Jörg Baesecke (c) Stephan Reimertz

Die kleinste Bühne der Welt bringt große Oper ins Spiel

Das alles erschaffen Hedwig Rost und Jörg Baesecke – weltweit bekannt mit ihrer Kleinsten Bühne der Welt – auf nicht einmal einem Quadratmeter neu. Im Frühjahr 1981 in Hamburg im Freien gegründet, besticht die portable Bühne seit Jahrzehnten durch überraschendes, poetisches und virtuoses Musiktheater. Die beiden Künstler dampfen das Theater aphoristisch auf seine Substanz ein, um es sodann in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Der erste Schritt ist stets ein poetisches Konzept: Worum geht es in dem ausgewählten Märchen, Stück oder jetzt: der Oper eigentlich? In einem zweiten Schritt kommen die Künstler auch als Kunsthandwerker ins Spiel. Sie fertigen all ihre Bühnenbilder und Figuren selbst an, wobei der Phantasie keine Grenzen gesetzt und oft auch verblüffend einfache dramaturgische Lösungen gefunden werden. Ein Ablauf wird angedeutet, indem ein illustriertes Blatt ausgerollt wird, mit hoher Kunstfertigkeit ausgeführte Scherenschnitte erwecken Gestalten zum Leben. Am ehesten ist diese liebevoll-poetische Neuschöpfung von Gestalten mit der Kunst des japanischen Figurenfaltens, dem Origami, zu vergleichen. Gern betreiben die beiden Theaterschöpfer auch eine Art Ningyō-Jōruri: eine mobile Bühne am Fahrradlenker!

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Foto: Stephan Reimertz

IDOminiO: Rückkehr an den Ort der Uraufführung

Es ist ganz klar, dass der Opernbetrieb auf Ideen von außen angewiesen ist, um sich ständig neu von innen erfrischen zu können. »Kinder, schafft Neues!« lautet die bekannte Aufforderung von Richard Wagner. Und so ist die hintersinnige Inszenierung von Mozarts Idomeneo als IDOminiO auf der Kleinsten Bühne der Welt vor allem eine konsequente Fortsetzung der einzigartigen Musiktheaterpoetik von Hedwig Rost und Jörg Baesecke. Sie sind ihr eigenes Gesamtkunstwerk. Wenn Ilia Idomeneo ihre berühmte Arie vorträgt, baumelt eine Papierfigur an Hedwig Rosts Violine, die dazu singt und sich selbst begleitet. Signifikante musikalische Passagen werden von beiden gemeinsam angestimmt, um den Zuschauer schnell in Szene zu setzen. Immer wieder überraschende Wendungen wie das Auftauchen eines gefräßigen Drachens aus Papier oder die kleine Krone, die zunächst nur als Bühnenverzierung dient, dann aber dem neuen König aufgesetzt wird, offenbaren eine höchst originelle Detailbesessenheit.

IDOminiO: Aphoristisches Koffertheater

Die Neuinszenierung von Mozarts Jugendoper ist ca. zwanzig Minuten lang und wird im Duo gespielt. Vom Alten Residenztheater aus, wo die Uraufführung stattfand, hätte man nur einen Stein über Comitéhof und Brunnenhof in des erste der »Reichen Zimmer« werfen müssen um den Ort den Neuaufführung zu berühren. Mit ihrer Kleinsten Bühne der Welt erinnern Hedwig Rost und Jörg Baesecke uns alle daran, worauf es im Theater ankommt: Die Reduzierung und Verdichtung des dramatischen Moments, die Kunst, das Herausstechende einer bestimmten Atmosphäre auf den Punkt zu bringen. IDOminiO erweist sich dem Mozartischen Geist voll und ganz gemäß, ein kongenialer Beitrag zur Münchner Residenzwoche.

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Mozart’s Idomeneo on the Smallest Stage in the World

Hedwig Rost and Jörg Baesecke have reimagined Mozart’s „Idomeneo“ as „IDOminiO“ on the Smallest Stage in the World. This 20-minute pocket theater version condenses the drama of the Cretan king, who accidentally pledges his son to the sea god, into a humorous and creative performance. Originally staged in Munich’s court theater, this revival takes place a few rooms away, with hand-crafted props and figures. Rost and Baesecke focus on the opera’s core essence, adding humor and innovation, like a hungry dragon and a symbolic crown. Their version proves that even grand opera can thrive in a miniature format, making this a highlight of the Munich Residenz Week.

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