Von Susanne Falk.
Man kann ihn förmlich spüren, den Abschiedsschmerz, den diese Eltern empfunden haben müssen, bevor sie ihre Kinder in der Hoffnung auf deren Überleben weggeschickt haben. Und man spürt den Kummer, den diese entwurzelten Kinder mit sich trugen, wo immer sie hinkamen, weil nichts, aber auch gar nichts mehr gut werden konnte, wenn man alle und alles verloren hatte, außer dem eigenen Leben.
Julian Borger spürt in seinem überaus spannenden und sensiblen Familienporträt der Geschichte seines Vaters nach, der Wien als Elfjähriger verlassen musste, um den Nazihäschern zu entkommen. Eine kleine Anzeige im Manchester Guardian von 1938, eine unter vielen, führt ihn schließlich auf die richtige Spur des viel zu früh verstorbenen Vaters Robert und seiner sehr besondere Fluchtgeschichte, die, wie sich bald herausstellt, kein Einzelfall war.
Die Frage nach dem eigenen Mut: Kinder retten, aber verlieren
Unweigerlich stellt sich beim Lesen die bange Frage nach dem Schicksal der eigenen Kinder, heute im gleichen Alter wie Robert Borger, als man ihn zur Rettung aus Wien fortgeschickt hat. Hätte ich das gekonnt – mein Kind fortgeben in dem Wissen, es nie wieder zu sehen?
Was dieser Verlust von Wurzeln, von Familie für die jüdischen Kinder Wiens bedeutet haben muss, lässt sich nur erahnen. Eine Wahl hatten sie nicht – entweder sie fingen in der Fremde neu an oder sie gingen unter, so wie Robert Borger, dessen späterer, unerklärlicher Freitod lange Zeit wie ein Schatten über der Familie hing.
Mitreißend erzählt, führt uns Julian Borger von Großbritannien über Shanghai und Wien bis nach Wales und direkt hinein in die berührende Geschichte der Überlebenden und ihrer Helfer. Lesenswert, mitreißend und zutiefst berührend!
Julian Borger
Suche liebevollen Menschen. Mein Vater, sieben Kinder und ihre Flucht vor dem Holocaust
Molden Verlag, Wien 2024
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Julian Borger: Escape from Vienna
You can feel the pain of parents sending their children away to save them from the Nazis and the sorrow of children who lost everything. Julian Borger tells the poignant story of his father, Robert, who had to leave Vienna at age 11. A small ad in the Manchester Guardian from 1938 led him to uncover his father’s unique escape story.
The book raises the harrowing question: Would one have had the courage to send a child away, knowing they might never return? For Jewish children in Vienna, there was no choice: start anew in exile or perish.
Robert Borger’s tragic fate—his rescue but eventual suicide—left a shadow over the family. Julian Borger takes readers from Britain to Shanghai, Vienna, and Wales, recounting the gripping stories of survivors, their helpers, and the loss of roots and homeland.