Es darf boshaft gekichert werden: Vergnüglich-Anzügliches von Johann Sebastian Bach, Leo Slezak, Maria Callas bis John Cage. Rezension von Ingobert Waltenberger.
„Der Taxifahrer fragt: Wo soll‘s denn hingeh‘n, Herr Direktor? Karajan ungeduldig: Fahren Sie!!! Egal wohin! ich dirigiere überall!“ Und wenn es nicht wahr ist, so ist es gut erfunden. Bei der Anekdote geht es bekanntermaßen primär um situativen Humor und wohl auch spöttisch auf die Schaufel genommene schräge Charaktereigenschaften der uns so lieben, ja der allerhehrsten Bühnenmagier. Von Management, PR, Publikum und Hochglanzmedien auf einsam felsige Podeste gehoben, drohen die so Geglätteten oft in olympischer Unerreichbarkeit zu erstarren. Gäbe es nicht diese sie auf ein menschliches Maß zurückführenden Geschichten. Denn natürlich waren selbst die größten Stars Menschen mit ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten, Eitelkeiten und bei manchen bis ans Lächerliche grenzenden Selbstbesoffenheit.
Der Wert dieser Geschichterln aus Neben- oder Hauptschauplätzen der Göttlichen mit einem Funken Wahrheit, der die sie fehlbar-fassbarer und so auch sympathischer macht, steigt mit der Popularität der Angebeteten.
Warum Musik Anekdoten, könnte einer fragen ? Weil die Musik doch die schönste aller Künste ist. „Und wer sie komponiert, interpretiert, rezensiert und rezipiert, wer sie spielt, wer sie singt, wer sie genießt, wen sie verstört, setzt sich allerlei Spott aus.“
Und so hat Joseph Berlinger 44 seiner Lieblings-Anekdoten in einem Skript verewigt, sie – wo opportun – umgedichtet, neu erzählt und allesamt inszeniert. Von einer Schar an erstklassigen Mimen ließ er sie akustisch für dieses Hörbuch realisieren. Der Erzähler Igor Jussim mit dem unnachahmlichen russischen Akzent, (Komponist klingt da natürlich wie Kampanjist) sowie Undine Scheider, Eva Sixt, Heike Ternes, Fritz Barth, Martin Hofer, Georg Lorenz und Heinz Müller sorgen für amüsante zweieinhalb Stunden an Anekdoten, Gedanken darüber, was eine solche eigentlich sein soll und kleinen Witzen. Kurzweiligkeit garantiert. Freilich gibt es auch gut platziert Musik dazu eingestreut.
Meine Lieblingsgeschichte „Mozart will ein Busserl von Stanzerl“ mit einer deftig bayerisch nörgelnden Konstanze, einem komatös schlaftrunkenen Wolferl und ständigen Hahnengekrähe geht so:
„Im Landhaus der Familie Duschek in Prag. Konstanze würde ihren Gatten noch gern weiter schlafen lassen aber da gibt es ein Problem. K: Wolferl, Wolferl aufwachen! Heute Abend ist die Uraufführung vom Don Giovanni. W: Da gemma hin. K: Da gemma hin? Depp. Wolferl, dei Ouvertüre ist no net fertig. Auf geht‘s, komponieren! W: Die hob ich do schon gestern Abend g‘schriebn. K: Pfeifendeckel hast geschrieben. Zum Billardspielen bist gangen. W: Joo, lass uns Billard spielen. K: Wiast ham kommen bist, hab ich dir an Punsch kochen müssen. Und hab dir versprechen müssen, dass i aufbleib‘ mit dir. W: Was hob i? K: Dann hast du an der Ouvertüre weiterg‘schrieben und ich hab dir dabei 1000 und ane Nacht vorgelesen W: Bussi. K: Und Aschenputtel hab ich dir a vorgelesen. Und jedes Mal, wenn ich aufgehört hob zu lesen, bist du wieder eingeschlafen. W: Heftiges Schnarchgeräusch. K: Wolferl! W: Vorgelesen! K: Und dann hab ich dir wieder vorgelesen und du bist wieder aufgewacht. W: Aufgewacht! K: Und dann bist wieder eingeschlafen, und dann hab ich gesagt: Geh leck‘ mi do am Orsch, hab ich gesagt, und hab di schlafen lassen. Zwa Stunden und jetzt ist es Fünfe, und wann du jetzt net aufstehst und weiterkomponierst, dann schütt‘ ich dir den Punsch über den Kopf. Zwei Stunden später und die Ouvertüre war fertig, Und die Kopisten hatten noch zwölf Stunden Zeit, um für alle Musiker die Orchesternoten abzuschreiben.“
Finden Sie dich die ihrige possierliche G’schicht! Vielleicht bringt Ihnen diese Produktion, die sicher für die beteiligten Künstlerinnen und Künstler ein kleiner Lichtblick in der großen Corona-Düsternis 2020/2021 war, ja ein wenig Abwechslung und Vergessen von den täglichen Hiobsbotschaften.
Doppel-CD “Karajan steigt ins Taxi … 44 Musiker-Anekdoten”
Von Bach und Beethoven bis Edith Piaf und Nigel Kennedy
Hin- und hergerichtet von Joseph Berlinger.
Sprecher/innen:
Eva Sixt, Undine Schneider, Heike Ternes, Igor Jussim, Fritz Barth, Georg Lorenz, Martin Hofer, Heinz Müller
Musiker/innen:
Anka Draugelates, Sven Faller, Sepp Frank, Heinz Grobmeier, Rainer J. Hofmann, Igor Jussim, Stefan Baier
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