Kolumne von Susanne Falk.
Wer in direkter Nähe zu Schloss Schönbrunn lebt, für den sind Schlösser, mögen sie auch noch so groß und protzig daherkommen, etwas ganz Normales. Schönbrunn gehört irgendwie zu unserem Alltag dazu. Wir fahren tagtäglich mit der Straßenbahn daran vorbei zur Schule und wir füttern hin und wieder die verwöhnten Eichhörnchen, im Wienerischen Eichkatzerl genannt, im Schlosspark mit Nüssen. (Ein Tipp: Kommen Sie denen bloß nicht mit Paranüssen, die mögen sie nicht! Auch Cashews oder Haselnüsse sind nicht ihr Ding. Wiens Eichkatzerl stehen ausschließlich auf ordinäre Walnüsse – und Nutella. Wobei ich den italienischen Touristen dann doch einen Kurzvortrag über Tierfütterung hätte halten sollen… Also wirklich, Nutella! Wer kommt denn auf so etwas?)
Zurück zu den Schlössern. Sie sind Teil unserer Alltagskultur. Man kann sie besichtigen, sie sind hübsch und sie sind für alle da. Die Parks, in deren Mitte sie stehen, bieten uns Städtern Grünraum zur Erholung und sie machen sich enorm gut als Kulisse für Hochzeitsfotos.
Nun ergab es sich aber, dass ich kürzlich im zauberhaften Örtchen Litschau am Herrensee zu einem Theaterfestival weilte. Litschau ist, das nur nebenbei, die nördlichste Stadt Österreichs und bricht im Winter gerne Kälterekorde. Das war hier aber nicht der Fall. Sommerlich und idyllisch empfing mich das Städtchen zum Festival „Hin & Weg“, bei dem auch eines meiner Werke eine Szenische Lesung bekam. Die Freude war groß, die Anreise weit – was macht die gute Wahlwienerin? Sie beschließt, sich auf einen kurzen Spaziergang zum Schloss aufzumachen, ein bisschen örtliche Kultur mitnehmen, denn das Anwesen liegt recht malerisch etwas oberhalb des Stadtkerns. Und nun kommt der Haken: Man kann es nicht besichtigen! Da wohnen doch tatsächlich noch immer Adelige drin!
Jetzt stellen Sie sich einmal mein Erstaunen/ Entsetzen vor ob des Anblicks eines tatsächlich bewohnten Schlosses. Ja, wo gibt es denn so etwas noch in Österreich? Den Kaiser haben wir vor 100 Jahren erfolgreich aus seinem K.u.K.-Reich vertrieben und dann das: Kein Schlossmuseum in Litschau! Stattdessen wohnt die Familie Seilern-Aspang dort und das sogar schon seit 1763, wobei das Schloss zum ersten Mal im Jahr 1215 erwähnt wurde.
Da dachte man als Normalbürger, die Adeligen hätten ihre Pfründe längst abgeben müssen, die sie ohnehin nur deshalb hatten, weil sie ihre Untertanen über Jahrhunderte hinweg ausbeuteten – aber nein, weit gefehlt! Bewohnte Schlösser gibt es auch in Österreich noch so einige, etwa die Kaiservilla in Bad Ischl, die heute zu einem Teil Museum, zum anderen Teil Wohnsitz eines Zweigs der Habsburger ist.
Dass die Gebäude bewohnt werden, hat natürlich Vorteile, etwa den, dass die enormen Instandhaltungskosten nicht der Bevölkerung sondern dem Adel selbst angelastet werden. Adel verpflichtet. In diesem Fall zur Restaurierung teurer alter Mauern. Und so ergibt es sich, dass Litschau zwar über ein sehr malerisches Schloss verfügt, das Malerische aber an der Schlossmauer aufhört, weil hier das Private beginnt.
Das ist in Schönbrunn zum Glück anders. Würde man meinen. Tatsächlich befinden sich zahlreiche Wohnungen (150 an der Zahl) für Privatpersonen in dem riesigen Gebäudekomplex, eine große Gärtnerei und, last but not least, ein Kindergarten. Außerdem gibt es natürlich die musealen Räumlichkeiten, die der Öffentlichkeit schon vor langer Zeit zugänglich gemacht wurden, zwei Theater und zahlreiche Cafés. Und Schönbrunn ist damit nicht alleine: Auch alle anderen großen Wiener Schlösser beherbergen heute normale Bürger ohne Adelsprädikat. Die zahlen ganz einfach Miete und müssen dafür nicht einmal ihre Kinder in Frondienste zum Herrn Baron/ Grafen/ Erzherzog/ Kaiser geben. Stattdessen halten sie die Kulturstätten Österreichs lebendig.
Kultur gibt es auch in Litschau und zwar eine ganze Menge. Das verschlafene Örtchen macht mit seinem Schrammel- und Theaterfestival ganz schön was her. Nur die Schlösser, die bleiben ganz fest zu. Vielleicht sollte die Kultur hier einmal an den Toren rütteln? Mit etwas Glück gehen diese dann einen Spalt breit auf und lassen das normalsterbliche Leben ein. Zeit wird’s.
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