Kolumne von Susanne Falk.
Ich gebe es zu – ich bin ein Weichei. Sobald ein Film auch nur annähernd in Richtung Krimi tendiert, schalte ich um. Im echten Leben habe ich kein Problem mit Blut und leiste im Bedarfsfall auch gerne erste Hilfe. Im Film reicht bereits das erhobene Messer und ich kriege nächtelang Albträume.
Prinzipiell finde ich ja, dass das echte Leben schon grausig genug sein kann, da braucht es nicht noch Mord und Totschlag auf der Leinwand. Der Tatort kann mir also gestohlen bleiben sowie jedwede andere Krimi- oder Mysteryserie. Bei „Lost“ reichte zum Beispiel schon der Trailer aus und das Licht blieb die halbe Nacht lang eingeschaltet. Dabei gehen Menschen ja auch im echten Leben durchaus mal verloren. So geschehen vor vielen Jahrzehnten im Technischen Museum Wien. Und, auch dies eine unheimliche Parallele, sie tauchten dort nie wieder auf.
Ich hatte vor einigen Jahren das Vergnügen, die Chronik des Technischen Museums aufzuarbeiten. Dabei stieß ich auf eine unscheinbare Zeitungsnotiz aus den 1960er Jahren, in der die Abgängigkeit eines älteren Herrn vermeldet wurde, der ausgerechnet genau dort im Museum seiner sorgenvollen Verwandtschaft abhanden gekommen war. Das Beunruhigende an der Sache war, dass es keine Zeitungsnotiz gab, die über das Auffinden des Mannes Auskunft gegeben hätte. Er ging im TMW verloren und ward nie wieder gesehen? Das ließ nur eine Schlussfolgerung zu: Der Mann muss noch heute dort sein. Angesichts des fortgeschrittenen Alters der gesuchten Person dürfte es unwahrscheinlich sein, den Herrn dort noch lebend zu finden. Demzufolge irrt also der Geist eines Besuchers seit gut 50 Jahren im Museum herum und findet den Ausgang nicht. Na, wenn das nicht Stoff für einen Krimi gäbe…!
So kam ich ins Grübeln. Einer meiner Lieblingsträume ist der, in dem ich über Nacht in einem Feinkostgeschäft eingeschlossen werde und mich durch das ganze Sortiment fressen kann. Was aber, wenn man in einem Museum über Nacht eingeschlossen wird? Abgesehen davon, dass meine Kinder und ich die „Nachts im Museum“-Reihe sehr lieben – welches Museum wäre wohl das am besten geeignete, um dort, wenn schon nicht den Rest meines Lebens, so doch wenigstens die Nacht zu verbringen? Und in welchem, wenn es denn schon sein müsste, würde ich gerne „herumgeistern“, weil ich seit 50 Jahren den Ausgang nicht finde?
Nun gibt es das wunderbare Schokolademuseum in Köln, in dem ich problemlos eine Nacht bleiben würde, solange man den Shop offen lässt und ich alles verkosten dürfte, was ich wollte. Und es finden sich mit Glück sicher auch ein Weinmuseum (ebenfalls in Köln) oder ein Käsemuseum (zum Beispiel in Amsterdam), in denen ich mir die Nacht um die Ohren schlagen kann. Aber ein ganzes jenseitiges Leben nach dem Tod? Da wird einem ja schrecklich fad! Wer will denn schon eine Ewigkeit lang zwischen alten Gemälden oder, noch abstruser, altem Käse verbringen? Was wäre wohl das Museum der Wahl, wenn man sich darin viele, viele Jahrhunderte lang amüsieren müsste?
Ich habe einen relativ guten Orientierungssinn, also würde ich vermutlich überall rechtzeitig den Ausgang finden, bevor man mich für immer wegschließt. Außerdem gibt es ja so etwas wie einen Nachtwächter. Der setzt mich dann schon vor die Tür. Obwohl – wenn der nur halb so lustig wäre wie Ben Stiller, könnte ich es dort vielleicht auch ein paar Tage und Nächte länger aushalten. Muss ja nicht gleich für die Ewigkeit sein.
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