„Ein Schuss Whiskey“ ist der dritte Kriminalroman von Carsten Sebastian Henn um Hochprozentiges – und so gut wie die beiden anderen. Von Barbara Hoppe.
Als Janus Rosner entschied, seinen Job in Köln an den Nagel zu hängen und in Dublin als Schriftsteller anzufangen, hatte er sich das großartig vorgestellt: Nach dem Germanistikstudium mit „summa cum laude“-Abschluss und so aufregenden Jobs wie Taxifahrer und Kellner wollte er in seiner neuen Heimat das Leben eines erfolgreichen Krimiautors führen, inspiriert von der Stadt des Whiskeys und so großer Literaten wie Oscar Wilde, James Joyce oder Bram Stoker. Doch nach einem Jahr im Ausland liegt das Buchprojekt immer noch unfertig auf seinem Schreibtisch. Stattdessen zieht Janus durch die Kneipen von Dublins malerischem Amüsierviertel Temple Bar in der Hoffnung, im Hochprozentigen die fehlende Inspiration zu finden.
Doch während sein literarischer Krimi auf sich warten lässt, landet Janus ganz unvermittelt selbst in einem. Als er nach der durchzechten Nacht am frühen Morgen am Ufer der Liffey steht, glaubt er seinen Augen nicht zu trauen. Auf den hölzernen Pfaden entlang der steinernen Kaimauern steht eine Gruppe Vermummter, vor sich eine bildhübsche junge Frau im weißen Kleid, irische Literatur deklamierend. Dann ein Schuss und tödlich getroffen sackt die Frau zusammen. Einem betrunkenen Deutschen glaubt kein irischer Polizist, die Täter sind längst verschwunden und auch die Medien berichten nichts. War alles nur Einbildung? Doch Janus‘ Ehrgeiz ist geweckt. Als dann schließlich nicht nur eine Leiche auftaucht, sondern noch eine zweite, gibt es für ihn kein Zurück mehr. Janus wittert die große Story für seinen Roman.
Schnell stößt er bei seinen Recherchen auf die Drunken Poets Society, eine exzentrische Literatengruppe mit makabren Gewohnheiten und einem kühnen Anliegen. Ehe sich Janus versieht, steckt er mittendrin in einem Gewühl aus Literatur, dem Geschäft mit dem Whiskey und mordlüsternen Privatermittlern. Eine Gemengelage, die ihn vom Dubliner Merrion Square mit seinen prachtvollen georgianischen Häusern bis nach Blarney Castle bei Cork führt, ein schmucklose Schloss mit dicken Mauern und kleinen Fenstern, in dessen Wehrgang der Stone of Eloquence ewige Redegewandtheit verspricht.
Carsten Sebastian Henn gelingt es in seinem dritten Kriminalroman rund um Hochprozentiges erneut, eine originelle Geschichte, zwei Prisen Humor und viel Wissenswertes über die Hauptzutat seines Kriminalromans – den Whiskey – zu einer spannungsgeladenen Geschichte zu verknüpfen. Vergnügt folgt man ihm nicht nur durch die Schönheit Dublins, sondern auch in die Tiefen der Whiskey-Brennerei. Dass er dabei nicht nur den Iren mit all ihrer Rau- und Herzlichkeit eine Liebeserklärung macht, sondern auch rheinische Frohnatur auf westfälische Dickköpfigkeit loslässt, ist ein zusätzliches Sahnehäubchen.
Carsten Sebastian Henn
Ein Schuss Whiskey
DuMont Buchverlag, Köln 2022
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Dieser Artikel erschien am 26. November 2022 in DAS WOCHENENDE! der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frankfurter Neuen Presse und Frankfurter Rundschau.
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