Die Mozartwoche in Salzburg gehört zu den Scheitelpunkten der europäischen Musikfestspiele. Für die diesjährige Eröffnung hat sich die Stiftung Mozarteum etwas ganz Besonderes ausgedacht. Zwei Violinen und eine Viola aus dem Besitz Mozarts spielten Themen aus der Entführung aus dem Serail. Näher kann man dem großen Komponisten nicht kommen. Von Stephan Reimertz
Die Kombination von Sonne, Schnee und blauem Himmel in Salzburg ist zum Niederknien schön. So war es am vergangenen Freitag, dem Tag der Eröffnung der diesjährigen Mozartwoche. Auch die Eröffnungsveranstaltung war ein Fest. Das musikalische Programm stand ganz im Zeichen der für den Abend erwarteten Premiere von Mozarts Singspiel Die Entführung aus dem Serail. Bläser der Akademie für Alte Musik Berlin in einer Besetzung für Oktett mit Generalbass und Schlagwerk spielten zunächst Belmontes erste Arie nach der so genannten Donaueschinger Harmoniemusik der Entführung aus dem Serail, entstanden 1782. Bei diesen Instrumenten handelt es sich um Nachbauten barocker Blasinstrumente, die von spezialisierten Manufakturen angefertigt werden.
Harmoniemusik mit Opernhighlights
Solche Harmoniemusiken nahmen im achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert den Platz ein, den heute die Highlight-Auswahl aus einer Oper genießt; ein kurzes Anspielen der Hauptthemen der Oper bereiten auf den Genuss des ganzen Werkes vor, erinnern an diesen und trägt zur Verbreitung und Popularisierung der Oper bei. Gelegentlich war der Arrangeur der Komponist selbst; so auch in diesem Fall. Die Partitur wurde erst 1982 in der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek zu Donaueschingen entdeckt, daher der Name. Erst 2004 konnte die Partitur Mozart zugeschrieben werden. Es stellte sich heraus, dass Mozarts Musik nach seiner eigenen Oper um einiges komplexer ist als die sonst von routinierten Arrangeuren hergerichteten Harmoniemusiken.
Die Instrumente und ihre Biographien
Im Verlag N. Simrock erschien hingegen im Jahre 1799 ein Arrangement für Streichquartett nach derselben Oper. Daraus erklangen am Freitag sechs Stücke und stimmten die Zuhörer auf die abendliche Premiere des Singspiels ein, darunter die Arie der Konstanze Martern aller Arten und jene des Belmonte Wenn der Freude Tränen fließen. Das Quartett, welches diese Komposition vortrug, war ein besonderes, sowohl was die Musiker, als auch was die Instrumente anging. Der vielseitige Grazer Violinist Werner Neugebauer, Dozent am Mozarteum und an der Linzer Anton Bruckner Privatuniversität, spielte Mozarts Konzertvioline, die aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert stammt und vermutlich von der Geigenbauerfamilie Klotz in Mittenwald angefertigt wurde. Das Instrument, das Mozart ca. ab 1770 verwandte, wurde schon früh als eine Reliquie behandelt, blieb so von Umbauten verschont und weitgehend im Originalzustand.
Klang als Große Erzählung
Dem Kärntner Fritz Kirchner, Primarius des Haydn-Quartetts, war jene Violine von Pietro Antonio Dalla Costa anvertraut, die Mozart in seiner Wiener Zeit gespielt hat. Der Lienzer Bratschist Herbert Lindsberger spielte die Viola eines norditalienischen Meisters aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert, die heute ebenfalls als aus dem Besitz Mozarts stammend angesehen wird. Der in Bilbao geborene Cellist Josetxu Obregón übernahm den Cellopart, gleichfalls auf einem Originalinstrument aus dem achtzehnten Jahrhundert. Die Farbtöne sind lapidarer als bei einem heutigen Streichquartett, gelegentlich sehnig, ja näselnd. Natürlich ist der so erzielte Klang eine Rekonstruktion, ja Konstruktion, in gewisser Weise eine Fiktion oder Erzählung. Aber näher kann man der Stimme Mozarts nicht kommen. Kein Zuhörer im Großen Saal des Salzburger Mozarteums konnte sich dem erhabenen Moment entziehen.