Von Barbara Hoppe.
Glitzer, Bling-Bling – „Aktuell glitzert es wieder besonders stark“, schmunzelt Julia Meer, Kuratorin und Leiterin Sammlung Grafik und Plakat im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Menschen fasziniere das Glitzern, es funkele herrlich und sei vor allem positiv konnotiert. Feiern, Basteln, Spielen, Verkleiden, Musik und Ausgelassenheit wären nur halb so schön ohne Glitzer, führt Nina Lucia Groß, Kuratorin des Freiraum im MK&G aus. Gemeinsam kuratieren sie die weltweit erste Ausstellung zum Thema „Glitzer“ und sind begeistert: „Alle freuen sich sehr, dass Glitzer nun endlich auch in die Museen Einzug erhält. Denn bisher haben viele die Erfahrung gemacht, sich für die Verwendung dieses Materials rechtfertigen zu müssen.“ Bereits 2021 hatten Julia Meer und Nina Lucia Groß die Idee zu der Ausstellung, im Sommer 2023 wurde es dann ernst: „Uns fasziniert, dass ein Stoff, der so omnipräsent, beliebt und vertraut ist, erst so spärlich erforscht und wissenschaftlich besprochen wurde. Ist der Blick einmal auf Glitzer gelenkt, dann taucht es nicht nur überall auf, sondern erweist sich auch als sehr vielfältig und gesellschaftlich relevant“, beschreibt Julia Meer das gemeinsame Anliegen.

MK&G Glitzer: The Huxleys – Places O fWorship, 2021

© Karl Gadzali und Mohamad Barakat
Erste Museumsausstellung weltweit erforscht Glitzer-Phänomen
Als Museums-Glitzer-Pioniere haben die beiden Kuratorinnen rund 40 internationale Positionen aus Kunst und Gestaltung zusammengestellt. „Ein wesentlicher Teil der Ausstellung ist unser Versuch, möglichst viele Glitzer-Ereignisse und Materialgeschichten zusammenzutragen, um die historische Bedeutung des Glitzers und Glitzerns nachvollziehbar zu machen“, erläutert Nina Lucia Groß das Konzept der Schau. Und eben bei jener Recherchearbeit kam heraus, dass es zu verschiedenen Zeiten immer auch unterschiedlich stark glitzerte. Nicht überraschend ist es daher, dass auch die Ausstellungsmacherinnen nicht genug vom Glitzer bekommen konnten. Ihr persönliches Highlight unter den Exponaten ist dann auch ein Bühnenoutfit von Bill Kaulitz der Pop-Band Tokio Hotel.
Von Tokio Hotel bis Cleopatra: Sechs Kapitel Glitzer-Geschichte
Gute Voraussetzungen also für eine umfangreiche Schau. Entstanden sind sechs Kapitel, die ihre Besucher durch die komplexe und vielfältige Welt des Glitzers leiten. Wesentlicher Leitfaden der Ausstellung ist der Fokus auf das 21. Jahrhundert und die klare Abgrenzung zu Phänomenen wie das des Glanzes oder von Effekten wie Hologramme sie hervorrufen. „Grundsätzlich ist es uns ein Anliegen, das Material in seiner Vielfalt, Ambiguität und teilweise auch Widersprüchlichkeit zu zeigen“, führt Julia Meer aus. So werde beispielsweise im Bereich der Bühnen- und Performancekunst Glitzer eingesetzt, um Gleichwertigkeiten und Kippmomente erfahrbar zu machen. Die Kuratorinnen arbeiteten heraus, dass Glitzer auf diese Weise sowohl schützen, verdecken und verwandeln könne als auch als Mittel diene, um sich selbst und die eigene Identität sichtbar zu machen und in Szene zu setzen.


Foto: Regine Eurydike Hader
Hall of Glitter: Besucher teilen ihre persönlichen Schätze
Die Bandbreite der Exponate garantieren den Besuchern auf jeden Fall eine abwechslungsreiche Schau. In der „Hall of Glitter“ empfangen Einhörner und Stickeralben, Handyhüllen, Nagellack, Weihnachtsschmuck oder auch Tanzschuhe alle Glitzer-Begeisterten. Sie sind das Ergebnis eines öffentlichen Aufrufs, Lieblingsstücke und ihre Geschichten dazu in die Ausstellung zu geben. „Wir waren sowohl von der Menge als auch von der Vielfalt der Objekte und der dazugehörigen Geschichten beeindruckt“, weiß Nina Lucia Groß zu berichten.
Überall glitzert’s
Im Kapitel „Glitter up!“ geht es um Glitzer in Protesten und Auseinandersetzungen – sei es mit Körperidealen, Rollenerwartungen oder im Zusammenhang mit marginalisierten Gruppen. „Sparkle and Shine“ rückt Kostüme, Perücken, Nail Art und Videoarbeiten in den Mittelpunkt und beleuchtet die Inszenierung von Identität und Kollektivität. Mit der Installation „Every night in my dreams“ der Künstlerin Jenny Schäfer und der filmischen Montage „They’re just memories now“ der Filmemacherin Sarah Drath zeigt der Raum „Teenage Glitter“ unter anderem zwei Auftragsarbeiten zum Thema Erwachsenwerden. „Besonders gefreut hat uns, dass einige Künstlerinnen und Künstler die Ausstellung zum Anlass genommen haben, frühere Serien fortzusetzen, Arbeiten neu aufzulegen oder besonders glitzernde Versionen zu schaffen“, erläutert Nina Lucia Groß.
Von Protest bis DIY: Interaktive Glitzer-Erlebnisse im Museum
Von Cleopatra bis zu Taylor Swift reicht die Zeitspanne im Kapitel „Glittermania – Geschichte des Glitzerns“. Wen es nach so viel Glitzer schließlich selbst in den Fingern juckt, kreativ zu werden, darf sich im Raum „Glitter Craft“ auf Glitzermaterialien und fünf Do-it-yourself Video-Tutorials freuen.
Für Abwechslung ist also gesorgt. Julia Meer und Nina Lucia Groß freut es: „Die Ausstellung ist wie Glitzer: Sie besteht aus vielen Einzelteilen, die ein faszinierendes Ganzes ergeben.“
Glitzer
28. Februar bis 12. Oktober 2025
Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg
Steintorplatz
20099 Hamburg
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Der Beitrag erschien ebenfalls in der „Kulturzeit“ der Berliner Morgenpost im November 2024.
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg shows glitter history
Glitter has always fascinated – and now it finally gets its own exhibition at the Museum of Arts and Crafts in Hamburg. Curators Dr. Julia Meer and Nina Lucia Groß present “Glitter,” featuring around 40 international works of art and design. The exhibition explores how glitter has been used across different eras and contexts: from stage costumes like Bill Kaulitz’s outfit to political protest movements. The show is divided into six chapters, including “Glitter up!” which focuses on glitter in protests, and “Sparkle and Shine,” highlighting identity and self-expression.
In the “Hall of Glitter,” visitors encounter everyday glittery objects like unicorns, sticker albums, and phone cases, collected through a public call for submissions. Other highlights include commissioned works on youth culture and a DIY room with glitter materials and tutorials. The exhibition reveals how versatile and socially relevant glitter is – from Cleopatra to Taylor Swift.
For the curators, glitter is more than decoration. It protects, transforms, and showcases identity. “The exhibition is like glitter itself – many individual pieces create a fascinating whole,” says Julia Meer.



