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Naturgewalt und Wortgewalt: C.F. Ramuz „Derborence“

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LiteraturRezension von Barbara Hoppe.

An der Grenze zwischen dem Waadtland und dem Wallis, im Südwesten der Schweiz, liegen die Teufelsberge. Les Diablerets nennt man sie, seit dort 1714 ein Bergrutsch 55 Almhütten vernichtete und 14 Menschen in den Tod riss. 35 Jahre später folgte ein zweiter Bergrutsch und zerstörte weitere Hütten. Die Menschen begannen, die Gegend zu meiden. In dieser Einöde entfaltete sich nicht nur ein neu aufgestauter See, sondern auch der jüngste Urwald der Schweiz, der noch bis heute in seinem Originalzustand erhalten ist.

Zweifellos prägten die beiden Katastrophen die Gegend und ihre Menschen. Ihnen hat Charles Ferdinand Ramuz, 1878 in Lausanne geboren und 1947 gestorben, im Jahr 1934 ein Denkmal gesetzt. „Derborence“ heißt sein Roman, der die Geschehnisse von 1714 wie unter einem Brennglas abbildet. Erzählt wird die Geschichte des jungen Antoine. Frisch verheiratet mit Marie-Thérèse, zieht er wie alle arbeitsfähigen Männer im Juni 1714 auf die Alp Derborence. Als der Bergrutsch die Männer unter sich begräbt, ist Marie-Thérèse bereits schwanger. Das Unglück hinterlässt ein von Männern verwaistes Dorf. Doch nach zwei Monaten taucht Antoine plötzlich wieder auf. Abgemagert und verwirrt kehrt er heim. Die Freundschaft zum alten Séraphin treibt ihn jedoch wieder auf die Alp. Der alte Mann, so ist Antoine überzeugt, lebt noch. Marie-Thérèse gibt nicht auf und folgt ihm, um ihren geliebten Mann fürs Leben zurückzugewinnen.

Cover: Limmat Verlag

Dass dieser Stoff hervorragendes Material für einen Film bildet, leuchtet ein und geschah 1985 auch unter der Regie von Francis Reusser. Aus ihm hochklassige Literatur zu machen, bedarf größerer Kunst. C.F. Ramuz, mehrfach favorisierter Literaturnobelpreisträger und Gewinner des Großen Preises der Schweizer Schillerstiftung, gelingt auf knapp 200 Seiten dieses Kunststück. Ohne falsches Pathos, überbordender Action oder schwülstiger Liebesromanze schafft er stärkere Bilder als jeder Film es könnte. Eindringlich beschreibt er die Natur, die das Leben der Menschen bestimmt und ihren Charakter formt. Sein Ton ist spröde. Rau schildert er die Geschehnisse und bleibt damit so karg wie sprachgewaltig, ganz wie die Geröllmassen ringsherum, ohne dabei seine Liebe zu den Menschen und ihr Schicksal zu verhehlen.

Wer diesen Roman zur Hand nimmt, braucht nicht mehr als Muße, um sich ganz und gar in eine vergangene Zeit zu versenken und in einen Landstrich fallen zu lassen, der magisch ist – in seiner Schönheit wie in seiner Naturgewalt, der wir Menschen ausgeliefert sind.

C.F. Ramuz
Derborence
Limmat Verlag, Zürich 2021
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Ein Gedanke zu „Naturgewalt und Wortgewalt: C.F. Ramuz „Derborence““

  1. 1749 ereignete sich ein Felssturz in Deborence. Erschreckend, wie realistisch Ramuz es nacherzählen kann und uns Innerschweizer kommen natürlich die Parallelen sind zum Bergsturz von Goldau am 2. September 1806 in den Sinn. Man versteht, weshalb Ramuz für den Literaturnobelpreis im Gespräch war. Er hätte ihn verdient. Dieses Buch hat mich in seiner Dichte und Eindringlichkeit aber auch in seiner Menschlichkeit beeindruckt. Ramuz verstand es die Hilflosigkeit aber auch die Freude in die richtigen Worte zu packen. Ein Mahnmal, das n die Hoffnung nie verlieren darf und das die Liebe auch fast verlorene ins Leben retour bringen kann.

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