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Neu im Kino: „Das leere Grab“

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Von Birgit Koß.

Am Dienstagabend wurde der Dokumentarfilm „Das leere Grab“ in Berlin im Beisein seiner beiden Hauptprotagonisten vor ausverkauftem Haus mit einer großen Premiere gefeiert. In der kommenden Woche läuft er in vielen deutschen Städten an, unter anderem in Frankfurt, Hamburg, Leipzig und Köln. Das tansanisch-deutsche Regieduo Cece Mlay und Agnes Lisa Wegner zeigt auf eindrückliche Weise, welche traumatischen Erfahrungen die brutale deutsche Kolonialherrschaft in Tansania – dem damaligen  „Deutsch-Ostafrika“ – bis heute hinterlassen hat und fragt, wie wir damit umgehen können.

Von 1885 bis 1918 dauerte die deutsche Kolonialherrschaft unter anderem im  heutigen Tansania. Im sogenannten Maji-Maji-Krieg von 1905 bis 1907 wehrte sich die Bevölkerung im Süden des Landes gegen die Besatzungsmacht. Über 300 000 Menschen verloren nicht nur in den Kämpfen, sondern auch wegen der Politik der verbrannten Erde ihr Leben. Selbst die Toten wurden noch erniedrigt, indem man ihnen die Köpfe abschlug und als Trophäen oder zu sogenannten „Forschungszwecken“ nach Deutschland brachte. Aber auch in anderen Gebieten des Landes war dieses brutale Vorgehen gang und gäbe. Bis heute lagern Tausende von Gebeinen in den Magazinen deutscher Museen, andere sind in privaten Sammlungen „verschwunden“ oder damals mit Museen der anderen Kolonialmächte England, Frankreich, aber auch den USA getauscht und gehandelt worden. Allein Felix von Luschan, Anfang des letzten Jahrhunderts Direktor der Afrika- und Ozeanien-Abteilungen des „Königlichen Museum für Völkerkunde“ in Berlin, soll 10.000 Schädel nach Berlin geholt und davon 3.500 Schädel in seiner privaten Sammlung behalten haben. Ein Thema, das bis heute das Licht der Öffentlichkeit scheut und auch bei den Restitutionsforderungen an die Museen selten zur Sprache kommt.

Agnes Lisa Wegner und Cece Mlay haben für ihren Film mit zwei Familien Kontakt aufgenommen und sie drei Jahre lang begleitet: Im Süden Tansanias, in Songea, mit dem junge Anwalt John Mbano und seiner Frau Cesilia, die auf den Spuren seines Urgroßvaters bis nach Deutschland reisen, und mit Felix und Ernest Kaaya aus dem Norden Tansanias, die ebenfalls um die Rückführung der Gebeine ihres Vorfahren kämpfen und sich dafür in die Metropole Dar es Saalam begeben. „Das leere Grab“ zeigt den Kummer der Familien und ihren Kampf mit der Bürokratie auf deutschen aber auch tansanischer Seite. Aber er zeigt auch die Selbstermächtigung der beiden Familien, die sich auf ihre Suche begeben, die das Ehepaar Mgano bis nach Berlin führt. Hier bekommen sie Unterstützung durch Aktivisten des Vereins Postkolonial wie Mnyaka Sururu Mboro und den Künstler Konradin Kunze. Mit ihrer Hilfe werden sie beim Auswärtigen Amt empfangen und im November 2023 reist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seiner Reise nach Tansania nach Songea und entschuldigt sich dort für die Gräuel und das begangene Unrecht der deutschen Kolonialmacht – das Grab ist weiterhin leer.

Die beiden Filmemacherinnen sind in ihren Film immer ganz dicht an den Betroffenen. Ihr Anliegen war es, folgenden Fragen nachzugehen: „Wie lebt eine Familie, eine Community mit einem intergenerationellen Trauma? Wer ist verantwortlich für die tatsächliche Restitution der Ahnen? Welche Rolle spielen Familien und Communities in diesem Prozess? Wer hat die Geduld, die Beharrlichkeit, nach den jeweiligen Vorfahren zu suchen, und wie wird das finanziert? Und worauf alles hinausläuft: Wie wollen wir miteinander leben?“

Fragen, denen sich auch die deutsche Politik und Gesellschaft stellen sollte. Es geht Cece Mlay und Agnes Lisa Wegner weniger um Anklage, als um Aufklärung und den Prozess der Heilung und darum, Licht in dieses extrem dunkle Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte zu bringen. Eine Geschichte, die noch lange nicht zu Ende ist und viele Familien in Tansania bis heute direkt berührt.

Seine Weltpremiere hatte „Das leere Grab“ als Berlinale Special bereits im Februar bei der 74. Berlinale. Nach den diversen Premieren in deutschen Städten ist eine Tour durch die verschiedenen Communities in Tansania geplant.

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New at the movies: „Das leere Grab“
Starting next week, „Das leere Grab“ will be shown in many German cities, including Frankfurt, Hamburg, Leipzig, and Cologne. The Tanzanian-German directorial duo Cece Mlay and Agnes Lisa Wegner vividly depict the traumatic experiences left by German colonial rule in Tanzania.

German colonial rule in Tanzania lasted from 1885 to 1918. During the Maji Maji War (1905-1907), over 300,000 people lost their lives. Many remains were brought to Germany and are still stored in museums and private collections today. This topic is rarely discussed publicly.

For their film, the directors followed two families for three years: lawyer John Mbano and his wife Cesilia from southern Tanzania, as well as Felix and Ernest Kaaya from the north, all of whom are fighting for the return of their ancestors‘ remains. They receive support from activists and artists in Berlin.

„Das leere Grab“ shows the families‘ grief and their struggle with bureaucracy. In 2023, President Steinmeier apologized in Tanzania for the atrocities of the colonial era, but the grave remains empty. The film addresses intergenerational trauma and calls for awareness and healing.

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