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Neue Hofmannsthal-Biographie: Zeitlos relevant

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Literatur

Einer der Schwerpunkte der diesjährigen Salzburger Festspiele war Hugo von Hofmannsthal gewidmet. Der Festspielgründer wurde vor 150 Jahren geboren. Nicht einmal fünf Jahre nach Herbert Hömigs Monographie erscheint in des Dichters Hausverlag S. Fischer eine neue Biographie des Lyrikers, Dramatikers, Erzählers und Essayisten. Die beiden Autoren Elsbeth Dangel-Pelloquin und Alexander Honold traten bei den Festspielen auf. Kann ihr Buch in der Reihe der hochkarätigen Hofmannsthal-Interpretationen bestehen? Von Stephan Reimertz.

Das Oesterreich, von dem ich spreche, besteht nicht mehr. Aber die Geistesverfassung, die ein halbes Jahrtausend besiegelte, kann durch kein Friedensinstrument, durch keine technische Neuordnung annulliert werden.
Hugo von Hofmannsthal

Frühe Prägung durch europäische Literatur

Elsabeth Dengel-Pelloquin und Alexander Honold rubrizieren den kultivierten Österreicher als »Schriftsteller, dessen literarisches Werk nicht auf Erlebnissen beruht, sondern auf Lektüren. Sein Werk schöpft wie kein zweites aus den Beständen der Überlieferung, dem Kanon der Weltliteratur. Diese Weichen wurden früh gestellt.« Die Autoren geben zu bedenken, dass das enorme Lektüreprogramm schon des Knaben eher auf den zukünftigen Gelehrten als den Dichter schließen lässt und erinnern an Hofmannsthals spätere Probleme zwischen den vielen Stimmen der europäischen Literatur seine eigene zu finden. »Nirgendwo sonst«, zitieren die Autoren Hermann Broch, »war die gesamte Lebenstextur so eng mit der des Theaters verwoben wie in Paris und Wien.«

Gesellschaftliche Verflechtungen im Wien der Jahrhundertwende

Besonders typisch zeigt es sich, wenn Kapitel wie jenes über Hofmannsthals frühe Essayistik und ein Einblick in seine gesellschaftlichen Kontakte mit der reichen jüdischen, geadelten Oberschicht nebeneinanderstehen, wie hier innere und äußere Biographie in eigenen Linien verfolgt und zusammengeführt werden. So wird die neue Biographie zur brauchbaren Ergänzung von Klassikern wie Wittgenstein’s Vienna von Janik und Allan, Schorskes Fin-de-Siecle Vienna oder Johnstons Österreichischen Kultur- und Geistesgeschichte. Und wie die genannten Standardwerke stellt auch die neue Hofmannsthal-Biographie dann und wann ein episch-essayistisches Lesevergnügen dar. Die germanistischen Ausführungen im pseudointellektuellen Universitätsjargon könnte man freilich weglassen. Hofmannsthals Leben und Werk wirkt wie ein schillerndes Prisma, in der die Spiegelungen aus den letzten Tagen Österreichs eingefangen sind. Es scheint wie ein Wunder, wie sein Werk das Vermächtnis der zentraleuropäischen K&K-Monarchie durch die derzeitigen Mediengesellschaft trägt, angetan, es einst besseren Zeiten zu überantworten.

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Cover: S. Fischer Verlag

Nachhaltiger Einfluss durch Oper und Theater

Hofmannsthals Interesse an der Oper und seine Zusammenarbeit mit Richard Strauss ist einer der Gründe für dieses Überleben. Ein weiterer sind die Salzburger Festspiele mit dem merkwürdigen Phänomen des Jedermanns, das zwei der begehrtesten Rollen für Schauspieler bietet, obgleich es den Theaterkenner kaum zufriedenstellen dürfte und in Salzburg eher Anziehungspunkt für Touristen, Presse und Bergbauern ist als für den Festspielbesucher. So hat das neue Buch die Chance, neben den Operntexten auf den Büchertischen der großen Häuser von Wien, München, Mailand, London und New York seinen Platz zu finden, zum Trost der internationalen Eliten, die sich dort bei den Premieren begegnen und die darin übereinstimmen, dass sie die antitheatralischen Inszenierungen, die bei diesen Gelegenheiten wider besseres Wissen angeboten werden, gar nicht sehen wollen. Gleichviel: Hugo von Hofmannsthal ist der erfolgreichste aller deutschen Schriftsteller.

Elsbeth Dangel-Pelloquin / Alexander Honold 
Hugo von Hofmannsthal: Grenzenlose Verwandlung: Biographie
S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2024
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New Hofmannsthal biography: Timelessly relevant

One of the main focuses of this year’s festival was dedicated to Hugo von Hofmannsthal. The festival founder was born 150 years ago. A new biography of the lyricist, dramatist, narrator, and essayist has now been published by S. Fischer Verlag.

Elsabeth Dengel-Pelloquin and Alexander Honold describe Hofmannsthal as a writer whose literary work is based not on experiences but on reading. His work draws from traditional sources and the canon of world literature like no other. Even as a boy, his enormous reading program suggested he would become a scholar rather than a poet.

The new biography complements classics like „Wittgenstein’s Vienna“ and offers an epic-essayistic reading pleasure. Hofmannsthal’s life and work act as a prism of Austria’s final days. His interest in opera and collaboration with Richard Strauss ensured his survival in the cultural world. The Salzburg Festival with „Jedermann“ further contributes to his lasting success. Thus, the new book finds its place on the book tables of major opera houses from Vienna to New York. CopyRetry

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