Cecilia Bartoli und Franco Fagioli interpretieren Pergolesis Stabat Mater in barockem Expressionismus. Andrés Gabetta und seine Cappella verblüffen mit einem Vivaldi-Großmogul. Von Stephan Reimertz.
»Nisi Dominus aedificaverit domum, in vanum laboraverunt qui aedificant eam«, singt der Countertenor Franco Fagioli in Antonio Vivaldis Komposition nach der Vulgata, Psalm 126: Wenn nicht der Herr das Haus baut, mühen sich umsonst, die daran bauen. – Zwar meint der Psalmist dies im übertragenen Sinne, man gedenkt seiner Mahnung aber auch angesichts den neuen, sterilen und seelenlosen Gebäuden, mit der die Stadt Salzburg sich selbst ruiniert. Vivaldis Nisi Dominus (RV 608) für Contralto, Streicher und Basso Continuo bildete die mahnende Einleitung zum diesjährigen geistlichen Konzert im Mozarteum in Rahmen der Pfingstfestspiele.
Ein treues Publikum
Franco Fagioli gab mit Vivaldis Psalmen-Vertonung eine Probe seiner Virtuosität als Countertenor und machte dann Cecilia Bartoli Platz, die das Gloria in D-Dur des venezianischen Komponisten schmetterte. Barockviolinist Andrés Gabetta und seine Capella trugen Vivaldis Violinkonzert D-Dur, den sog. »Grosso Mogul«, mit seiner Entstehungszeit um 1710 das älteste Werk der Pfingstmontagmatinee, mit verblüffender Virtuosität vor und ernteten begeisterten Applaus des für die Mozarteums-Matineen typischen Stammpublikums.
Konzertsaal statt Kirche
Giovanni Battista Pergolesi schrieb mit dem Stabat Mater sein eigenes Requiem; und er wusste es, als er 1736 todkrank bei den Franziskanern in Pozzuoli bei Neapel unterkam, wo er im März beigesetzt wurde. Cecilia Bartoli und Franco Fagioli trugen die geistliche Komposition, welche die Leiden Mariae angesichts des sterbenden Jesus vergegenwärtigen soll, mit großer Virtuosität in einer Art barock-expressionistischem Gestus vor, die manchem Zuhörer angesichts des Themas als zu theatralisch und opernhaft erschienen sein mag.
Barocke Musik zur mittelalterlichen Dichtung
Indes zeichnete die Interpretation die Leiden der Gottesmutter in ihrem psychologischen Verlauf mit großer Eindringlichkeit nach. Etwas gotische Zurückhaltung hätten den Musikanten gleichwohl angestanden, wie denn die der anonyme Dichter des Stabat Mater, aus dem vierzehnten Jahrhundert stammend, in seiner Prägnanz und Schlichtheit den Titel eines Horaz des Mittellateinischen verdient. Der Karfreitagszauber am Pfingstmontag hätte sich besser in einer Kirche als in einem Konzertsaal entfaltet.
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