Mit seinem Debütroman katapultiert uns der Schauspieler in die letzten Kriegstage. Von Barbara Hoppe.
Die letzten Kriegstage in Berlin. Alles ist in Auflösung. Nirgendwo herrscht noch Ordnung, in aller Eile werden Papiere vernichtet, verlassen Verantwortliche des Nazi-Regimes ihren Arbeitsplatz. In diesem Durcheinander erhalten Schultz und Fritz, die bis dato an einem friedlichen Posten in Johannisthal ihren Dienst schoben, einen heiklen Auftrag: Sie sollen eine Schatulle mit 750 Reichsmark ins Reichsluftfahrtministerium bringen. Das liegt in Berlin-Mitte, und der Weg dorthin ist gefährlich für zwei Soldaten ohne Einheit, weit davon entfernt, zu kämpfen. Da zählt auch ein Stück Auftragspapier nicht unbedingt viel. Der Tod ist allgegenwärtig: Entweder wird man als Deserteur erschossen, von feindlichen Soldaten oder von Bomben getroffen. Dabei wollen Schultz und Fritz eigentlich nur eins: Heil aus dem Krieg herauskommen. Fritz, der ehemalige Gastwirt, hat ein Segelschiff, die „Traute“ am Wannsee. Hier die letzten Tage zu überstehen, versteckt und in Sicherheit, ist das Ziel, das er eigentlich verfolgt.
Burghart Klaußner kennen wir als großen Schauspieler und Sprecher. Nun hat er mit „Vor dem Anfang“ seinen ersten Roman geschrieben. Ein schmales Buch, eigentlich eher eine Novelle, das nicht nur mit einer flott erzählten Geschichte brillant unterhält, sondern auch eindrucksvoll die Stimmung in Berlin während der letzten Kriegstage einfängt. Den Wannsee, heute ein Hort der Ruhe und Sonntagsausflügler, macht er zum schwer umkämpften Ort, an dem sich Russen und Deutsche nichts schenken. Mitten drin ist Fritz, dessen Boot so nah und doch so unerreichbar ist. Der Irrsinn der letzten Tage, die Erinnerung an friedliche Tage – und was wurde aus den Angehörigen? All das schwingt mit, wenn wir die beiden Soldaten durch die Stadt begleiten und hoffen, dass die „Traute“ ihrem Namen alle Ehre macht und den beiden Soldaten einen sicheren Zufluchtsort bietet.
Mit Schultz und Fritz wirft Burghart Klaußner ein Schlaglicht auf die letzten Kriegsstunden. Um mitten drin zu sein, braucht es keine langen Reden. Nur zwei Soldaten, zwei klapprige Räder, einen Auftrag und den Wunsch nach Frieden.
Burghart Klaußner
Vor dem Anfang
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018
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