Von Stephan Reimertz.
Zweifellos eine neue Glanzrolle für den Charakterdarsteller Lars Eidinger: In dem persönlich unreifen, bisweilen gemütlichen und jovialen, oft aber eben auch brutalen für die Küche des KZ zuständigen SS-Mannes Klaus Koch verkörpert der Schauspieler die Banalität des Bösen, jene uns an unseren deutschen Landsleuten nur allzu bekannte Dämonie der Normalität. Leonie Benesch als SS-Mitarbeiterin Elsa variiert diesen Typus: Bildhübsche junge Kollegin, könnte von einer beliebigen Firma sein, flirtet, kokettiert mit den Männern, wenn’s drauf ankommt, quält sie Gefangene allerdings auch ganz brutal und drückt die Hand einer Küchenhelferin auf die Herdplatte. Wer Frauen für die besseren Menschen hält, sollte Frauen in Auschwitz von Grete Salus lesen oder diesen Film sehen.
Die deutsch-russisch-weißrussische Produktion (Regie: Vadim Perelmann), nach einer Erzählung des deutschen Drehbuchautors Wolfgang Kolhaase, gewinnt dem Genre des KZ-Films eine neue Nuance ab. Der polyglotte Schauspieler Nahuel Pérez Biscayart spielt den jüdischen Gefangenen Gilles, der behauptet, Perser zu sein, um damit sein Leben zu retten. SS-Mann Koch nimmt bei ihm Sprachunterricht, weil er nach dem Krieg in Teheran ein Restaurant eröffnen will. Gilles kann aber kein Wort Persisch und unterrichtet Koch in einer erfundenen Sprache.
Diese Sheharazade als Sprachlehrer wird jedem vertraut vorkommen, der schon einmal Sprachen gelehrt hat. Auch er erfindet selbst ein Idiom, auch wenn vom Gelingen des Unterrichts nicht gleich sein Leben abhängt. Der Film ist mit bewunderungswürdiger Ruhe und dramaturgische Souveränität inszeniert. Allein es stellt sich die Frage, ob es für diese Variation des Undercover-Krimis eines KZs als Schauplatz bedurft hätte, oder ob der gefährliche Sprachunterricht nicht z. B. auch einem Mafiaboß hätte erteilt werden können. Nazi-Filme im allgemeinen und KZ-Streifen im besonderen stellen den Ausführenden das ethische Problem, ob sie sich nicht an einem der größten Menschheitsverbrechen die Hände wärmen. Das gilt auch für literarische Verwendungen wie etwa die Todesfuge von Paul Celan. Selten hat man es mit einem auch ethisch überzeugenden Ergebnis zu tun, wie etwa im Falle von Stephen Spielbergs Film Schindler’s List. So bleibt bei dem doch so brillant inszenierten Spielfilm Persischstunden, den das ZDF derzeit in seiner Mediathek bereitstellt, ein bitterer Nachgeschmack.
Hier geht’s zur Mediathek (Film verfügbar bis zum 14.2.2022)
https://www.zdf.de/filme/spielfilm-highlights/persischstunden-102.html
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