Von Birgit Koß.
In meinem „afrikanischen“ Bücherregal gibt es eine recht umfangreiche Sammlung von einigen Autorinnen, deren Schaffen ich schon lange verfolge. Dazu gehört auch NoViolet Bulawayo, obwohl es von ihr lange Zeit nur einen Roman gab. 2014 erschien ihr Debüt „Wir brauchen neue Namen“ auf Deutsch.
Bereits 2011 hatte die Autorin für ihre Kurzgeschichte „Hitting Budapest“ den Caine Prize of African Writing erhalten. Diese bildete dann das erste Kapitel ihres Romandebüts „We need new names“. Damit gelangte sie als erste Autorin aus Schwarzafrika auf die Shortlist des Man Booker Prize 2013. Darin erzählt sie über das schwierige Leben um 2008 herum in Simbabwe, als Präsident Robert Mugabe abgewählt wurde, um sich dann gewaltsam wieder an die Spitze des Staates zu setzen – auch wenn das Land explizit nie benannt wird – aus der Perspektive der zehnjährigen Darling. NoViolet Bulawayo arbeitet mit äußert phantasievollen Sprachspielen und häufiger Verdoppelung, so ist die Freundin Chipo „stummstumm“, nachdem sie von ihrem Großvater geschwängert wurde. Die zweite Hälfte der Geschichte spielt in den USA, wo die ehemals so aufgeweckte Darling, die bei ihrer Tante leben darf, feststellen muss, dass das erträumte Paradies nicht nur kalt, sondern auch unwirtlich ist und vor lauter Heimweh fast in der Sprachlosigkeit versinkt.
Trotz des riesigen Erfolges diese Debüts blieb es lange ruhig um die Autorin. Erst im letzten Jahr meldet sie sich zurück mit ihrem zweiten Roman „Glory“ – einer Tierparabel. Diese Erzählform ist genauso wie die oben erwähnten Sprachspiele in der Kultur der Ndebele aus Simbabwe verankert. Dafür dankt die Autorin besondere ihrer Großmutter und allen Geschichtenerzählerinnen des Dorfes und wiederlegt, dass es sich bei ihrem neuen Roman nur um eine zeitgemäße Adaption von George Orwells „Animal Farm“ handelt.
In Jidada, einem fiktiven afrikanischen Staat, endet die Herrschaft des alten Pferdes durch einen Coup. Vor Jahrzehnte hatte es das Land glorreich in die Unabhängigkeit geführt. Doch durch ethnische Säuberungen, Korruption und Misswirtschaft steht das Land nun vor dem Ruin. Die Bewohner Jidadas – Waipchen wie Meenchen – sind vermenschlichte Haustiere, also Pferde, Kühe, Ziegen, Schafe, Katzen etc. Die Elite wird gestützt durch die Streitkräfte der Defender – furchterregende bissige Hunde. Den meisten Bewohnern Jidadas fehlt es am Nötigsten, während sich die Herrschenden bereichern, so auch die junge Ehefrau des Präsidenten. Die Prada tragende Eselin schmiedet, sehr zum Missfallen des inneren Machtzirkels, bereits Pläne, ihren gebrechlichen Gatten im Amt abzulösen. Ähnlichkeiten mit Robert Mugabe und seiner Frau Grace sind nicht zu übersehen.
Im ersten Drittel des Romas wird der momentane, erbärmliche Zustand Jidadas beschrieben. Dann kommt es zum Machtwechsel. Durch Wahlfälschung setzt sich das Pferd Tuvy auf den Präsidentenstuhl. Unter ihm beginnt der Ausverkauf von Jidiadas Bodenschätzen an China und globale Konzerne. Während die Propagandamaschinen ihn als „Erlöser der Nation“, „Überlebenden Aller Mordanschläge“ oder „Respektierten Welterlöser“ feiern, versinkt die Nation weiter im Elend. Doch nun kommen die sozialen Medien ins Spiel. Da wird getwittert, was das Zeug hält.
„The Observer @Observer Gesehen und gehört: Tuvy über Wahlbeobachter: “Die sollen ihre Arbeit machen, aber wenn sie uns im Weg stehen, dann müssen sie leider Staub fressen:“#fairglaubwürdig“
Dort wird Dampf abgelassen und zum Aufruhr gerufen, während die Tiere im wahren Leben in endlosen Warteschlagen ihre Zeit zubringen, um wenigstens einige Lebensmittel oder Benzin zu bekommen.
Außerdem tritt im zweiten Drittel auch die Hauptheldin des Romans auf – die Ziege Destiny. Sie kommt nach zehn Jahren im Exil zurück in ihre Heimat. Sie stellt sich ihren verdrängten Traumata, vor allem dem verschwiegenen ethnischen Massaker – Gukurahundi –, welches das Alte Pferd in den 1980er Jahren unter ihren Stammesgenossen anrichten ließ.
Auch wenn die Parabel sich wieder eindeutig auf das Heimatland der Autorin, Simbabwe, beziehen lässt, macht NoViolet Bulawayo doch deutlich – „ Für alle Jidadas überall“, – dass sie für viele Diktaturen der Welt stehen könnte, man denke an Uganda unter Idi Amin, Zaire unter Mobuto Sese Seko oder die Zentralafrikanische Republik unter „Kaiser“ Bokassa.
NoViolet Bulawayo ist ein Pseudonym. Es steht für den Heimatort der Autorin – die zweitgrößte Stadt Simbabwes Bulawayo und Violet hieß ihre früh verstorbene Mutter. So lässt sich NoViolet Bulawayo ungefähr als „ zu Hause mit Mutter in der Heimat“ übersetzen und zeigt die Vorliebe der Autorin für elegante Sprachspiele. Der spielerische, zugleich souveräne und häufig auch ungewöhnliche Umgang mit Sprache spielt auch in ihrem zweiten Roman eine große Rolle. Virtuos wechselt sie von zynischen Bildern der machtbesessenen Eliten zu mitfühlsamen Schilderungen des erlittenen Elends des einfachen Volkes, um zum Ende hoffnungsvoll Mut zu predigen – den Mut, sich von der Angst zu befreien und damit die Kraft für Veränderungen zu gewinnen. Sie zeigt zugleich die große Kraft, die in der Literatur liegt, die Wahrheit zu benennen.
So wurde das lange Warten auf diesen Roman mit einem großen Lesevergnügen belohnt.
NoViolet Bulawayo
Wir brauchen neue Namen
Aus dem Amerikanischen von Miriram Mandelkow
Suhrkamp Verlag, Berlin, 2014
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NoViolet Bulawayo
Glory
Aus dem Englischen von Jan Schönherr
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
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Back again: NoViolet Bulawayo „Glory“
In my „African“ bookshelf, there is an extensive collection of female authors whose works I have been following for a long time, including Noviolet Bulawayo. Her debut, „We Need New Names,“ was published in German in 2014 after she had already received the Caine Prize of African Writing in 2011 for her short story „Hitting Budapest.“ Her novel tells the story of the difficult life in Zimbabwe around 2008 from the perspective of the ten-year-old Darling, who later goes to the USA and realizes that paradise is cold and inhospitable. Despite the success of her debut, the author remained quiet for a long time until she returned last year with „Glory,“ an animal parable set in the fictional African state of Jidada.
The story revolves around political corruption and the suffering of the people while the elite enriches themselves. The main character, Destiny, returns after ten years of exile and confronted with her suppressed traumas, including a concealed massacre. Although the parable has clear references to Zimbabwe, Bulawayo suggests that it could represent many dictatorships. Her pseudonym, Noviolet Bulawayo, represents her hometown of Bulawayo and her late mother Violet. Her penchant for elegant language games is also evident in her second novel, which skillfully alternates between cynical depictions of the elite and compassionate descriptions of the people’s suffering, ultimately preaching courage for change and speaking the truth.
The long wait for this novel was rewarded with great reading pleasure.