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„Tagebuch eines sentimentalen Killers“ von Luis Sepúlveda

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Rezension von Barbara Hoppe.

Eigentlich hätte das alles nicht passieren dürfen. Der namenlose Killer, Mitte vierzig, hatte sich schon vor Jahren in eine hübsche, deutlich jüngere Französin verliebt. Aus seiner Wohnung wurde ein Büro, aus dem Verliebtsein eine Pärchenwohnung und aus dem Job wurde – zumindest für die Freundin – ein Posten bei einer Fluggesellschaft, der häufiges Reisen erforderte. Alles ein No-Go für einen Profikiller. Und dann kommt ein neuer Auftrag und alles wird noch schlimmer.

Das weiß der Leser schon von der ersten Seite dieses schmalen Romans von Luis Sepúlveda an, der 1997 erstmals erschien und nun in neuer Übersetzung im Kampa Verlag vorliegt. „Der Tag fing schlecht“ an, schreibt der Killer in sein Tagebuch. Der nervige Taxifahrer soll das schlechte Omen für eine Reihe von Hiobsbotschaften werden. Denn zu allem Überfluss verlässt ihn auch noch seine Freundin für einen anderen. Und das bringt die Abgebrühtheit des Killers gehörig durcheinander. Statt den Job, der ihm immerhin eine siebenstellige Summe einbringen soll, einfach und professionell zu erledigen, fängt unser Killer an, sich für sein Opfer zu interessieren. Warum soll der Mann sterben? Wer ist er überhaupt? Die Frage danach und die Frage, wie und wann dessen letztes Stündlein schlagen soll, führt den Killer von Madrid nach Istanbul. Kurz vor dem Siegeszug von Internet und Handy geschrieben, zeigt uns Luis Sepúlveda, dass Recherchen auch durchaus mit Papier und Telefonbuch möglich waren.

Luis Sepúlveda
Tagebuch eines sentimentalen Killers
Cover: Kampa Verlag

Lakonisch im Ton, dröselt der Autor die Gedanken seines sentimentalen Helden auf. Der Mann, der ihm am besten kennt, ist der Mann im Spiegel. Die Gespräche mit ihm sind die konstruktivsten Diskussionen und führen nicht selten zu äußerst komischen Dialogen. Gnadenlos ehrlich mit sich selbst, weiß er um seine Unzulänglichkeiten und kriegt die Kurve irgendwie doch noch. Denn Profi bleibt Profi.

Luis Sepúlveda starb in diesem Jahr im Alter von siebzig Jahren an Covid-19. Dass das „Tagebuch eines sentimentalen Killers“ just zu diesem Zeitpunkt neu herauskommt, ist eine schöne Würdigung.

Luis Sepúlveda
Tagebuch eines sentimentalen Killers
a.d. chil. Spanisch v. Willi Zurbrüggen
Kampa Verlag, Zürich 2020
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