Die Zwanziger Jahre sind zurück! In der nostalgisch-unnostalgischen, zauberhaft-poetischen Show GOLDEN YEARS lädt das Wintergarten-Varieté zu einem Abend voller Staunen und Lachen ein.
Gewinnen Sie für Mittwoch, den 05. Oktober 2022, 20 Uhr, 2 x 2 Karten.
Schreiben Sie einfach bis zum 27. September 2022 in die Kommentarfunktion, was Sie an den Zwanziger Jahren – damals oder heute – fasziniert. Es entscheidet das Los*.
GOLDEN YEARS | Die 20er Jahre Varieté Revue No 2
Von Barbara Hoppe.
Wenn Rodrigue Funke über das Varieté spricht, dann leuchten seine Augen. „Varieté ist ein Ort, an dem alles möglich ist. Singen, Tanzen, Theater spielen, Akrobatik, was Lustiges machen. Es ist ein Sammelsurium aller Künste, bei denen die Artisten im Mittelpunkt stehen“, schwärmt er. Als der Künstler die Regie für die aktuelle Show „Golden Years“ übernahm, hatte er daher auch ein klares Ziel vor Augen: Das Publikum soll mindestens einmal richtig gelacht und mindestens einmal richtig gestaunt haben. Die Show als Wechselbad der Gefühle, in der kein Moment vorhersehbar ist. Da passiert es, dass Sängerin Nina de Lianin und DIVA Tomasz mit ihrer Interpretation des Marlene Dietrich Klassikers „Sag mir, wo die Blumen sind“ für Gänsehaut sorgen, während Minuten später der Salto Mortale des Trio Csaszar den Atem stocken lässt.
Trotz ihrer Vielfalt reihen sich die Nummern wie Perlen einer Kette stimmig aneinander und jede glänzt auf ihre eigene Weise. „Jeder Künstler, jeder Musiker muss seinen Moment haben, in dem er weiß: Der gehört jetzt nur mir und hier packe ich noch einen drauf“, betont Rodrigue Funke und weiß genau, wovon er spricht. Denn auch er hat seine Bühnenauftritte: Als Conférencier führt er mit Nina de Lianin durch den Abend, mit seinen Foxterriern Loulou und Skipper bezaubert er das Publikum mit zwei quirligen Hundedressur-Nummern.
Wie ein roter Faden durchziehen die Reminiszenzen an die 1920er-Jahre das Showprogramm, angefangen mit dem Stummfilm gleich zu Beginn, in dem das Haus sich und die Stars des Abends augenzwinkernd feiert. Rodrigue Funke hat sich tief in die Zeit vor hundert Jahren hineinversetzt. „Ich war in der Neuen Nationalgalerie und habe mich von Malern wie Otto Dix oder Tamara de Lempicka inspirieren lassen.“ Die Zeit damals sei unglaublich exaltiert und irrsinnig gewesen, doch dabei auch sehr politisch, zeigt sich der Regisseur begeistert. Da gab es die Arbeiterbewegung, gleichzeitig etablierte sich eine große queere Bewegung in Berlin, Frauen begannen plötzlich, sich von Rollenbildern zu lösen. Und das Varieté war immer mittendrin. So galt Funkes allererster Gedanke bei der Vorbereitung von „Golden Years“ auch Anita Berber, der Femme Fatale der Wilden Zwanziger, die ihn noch heute fasziniert.
Um dieses Lebensgefühl ins Hier und Jetzt zu bringen, entschied sich der Regisseur für einen künstlerischen Ansatz, der die Varieté-Show vom klassischen Theater her denkt, was auch den entscheidenden Unterschied zu „2020“ ausmacht, der zweiten Zwanzigerjahre-Show des Hauses. Dabei schöpft er die technischen Möglichkeiten von heute voll aus: „Ich wollte nichts Nostalgisches machen, nichts Gestriges, sondern eine alterslose Show, von der man mit 15 genauso begeistert sein kann wie mit 88 Jahren“, betont der Künstler. So deckt das Ensemble, das er für seine Idee gewinnen konnte, das ganze Repertoire einer Varieté-Kunst ab, die es in dieser Art auch schon vor hundert Jahren hätte geben können.
Samira Reddmann schlägt im roten Kleid à la Anita Berber in einem fulminanten Tanz am Trapez den Bogen in die Vergangenheit, ebenso wie DIVA Tomasz, die als Bauchtänzerin den Wunsch nach Exotik aus den Golden Zwanzigern wieder aufleben lässt. Ob die Pole-Stange des Finnen Santeri Koivisto, Oscar Kaufmann als „Flying Gentleman“ am Hutständer, die grandiose Grande Dame der Fußjonglage Eliane Baranton oder die Diabolos von Phil Os – der Brückenschlag über das Jahrhundert gelingt nicht zuletzt auch wegen der Musik. Perfekt auf die Nummern abgestimmte Kompositionen, oft mit Motiven aus alten Stücken, vereinen Vergangenheit und Gegenwart. Was so leicht aussieht, ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit den Künstlern. Viele von ihnen kennt Rodrigue Funke schon lange, andere, wie die Balance-Künstler Mohamed Brothers, habe er auf Instagram entdeckt und aus Tansania nach Berlin geholt.
Dass zwei Jahre nach der Erstaufführung nun eine fast neue Show zu sehen ist, verdankten sie der Corona-Pause, schmunzelt Rodrigue Funke. Einige Nummern hätten sie in der Zeit komplett überarbeitet, andere ganz neu ins Programm genommen, weil die betreffenden Künstler von vor zwei Jahren nicht mehr zur Verfügung standen. Doch für Rodrigue Funke ist dieses hingebungsvolle Engagement das A und O eines Varieté-Künstlers. „Unsere Aufgabe ist es, den Menschen zweieinhalb Stunden Urlaub zu geben von all dem Irrsinn da draußen. Wenn wir das schaffen und dieses Gefühl beim Publikum noch bis in den nächsten Tag schwappt, dann ist unser Ziel erreicht.“
Das Gespräch mit Rodrigue Funke führte die Autorin nach der Show, von der sie begeistert ist.
Wintergarten-Varieté
Potsdamer Straße 96
10785 Berlin
*Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Der Beitrag erschien auch in der Sonderbeilage „30 Jahre Wintergarten-Varieté“ der Berliner Morgenpost am 10. September 2022.
Ich mag die post-kaiserliche Aufbruchstimmung, den Mut vieler Menschen, Neues zu wagen, die Entwicklung des politischen Kabaretts, die Musik, insbesondere auch die Geschichte der Comedian Harmonists usw.usw.
Ich mag die Kleider mit den Fransen und ich mag die Haarfrisuren der Damen die immer so schön zurecht gemacht waren. Ich hätte auch gerne in dieser Zeit gelebt.
Ich mag die tollen Fransenkleider und den tollen Charleston Tanz.
Die 1920er Jahre sind eine unfassbar kreative Zeit gewesen, nicht nur, aber vor allem in Berlin. Wenn wir uns heute anschauen und anhören, wie sich die Künste in ihrer Wechselwirkung befruchtet haben, ist es immer noch zum Schwindligwerden. Es war eine Zeit, wo das Alte in Form der Monarchie tatsächlich abgedankt hatte und das Neue, die junge Weimarer Demokratie, sich auch aufgrund verfassungsrechtlicher Mängel nicht so festigen konnte, um den nationalsozialistischen Irrsinn abzuwehren. Es ist aber genau dieser Zwischenzustand, der den Künsten die große Blüte beschert hat, die uns bis heute nachhaltig fasziniert.
Die Zwanziger empfinde ich als ein Sichtbarwerden von umfassenden Veränderungen, vor allem die Kunst wird auf unterschiedlichen Ebenen zelebriert, erkundet und gefeiert. Alte Muster beginnen sich zu lösen, im Arbeitsleben wird der Achtstundentag eingeführt und immer mehr Frauen beginnen, sich auch beruflich zu verwirklichen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben findet Ausdruck und Form, obwohl es auf allen Ebenen keine leichte Zeit war. Vielleicht ist es genau diese Diskrepanz, die die Zwanziger so unglaublich bewegt erscheinen lässt.
Viele Grüße Christine F. Behrens