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West-Eastern Divan Orchestra: Musik als Dialog

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker Musik

Seit einem Vierteljahrhundert steht das West-Eastern Divan Orchestra für musikalischen Dialog inmitten geopolitischer Spannungen. Die Gründungsidee von Daniel Barenboim und Edward Said wirkt bis heute fort – als künstlerisches Statement und humanistisches Projekt. Im Gespräch mit Daniel Barenboim und Lang Lang wird deutlich, wie aus musikalischer Exzellenz ein Ort des Zuhörens und der Verständigung entsteht – und wie Musik zur Brücke zwischen Kulturen wird. Die Fragen stellte Barbara Hoppe.

Feuilletonscout: Wie hat sich die Vision des West-Eastern Divan Orchestra in den letzten 25 Jahren entwickelt, und welche neuen Herausforderungen sehen Sie heute?
Daniel Barenboim:
Die Mission des West-Eastern Divan Orchestra ist seit seiner Gründung 1999 unverändert: junge Menschen mit unterschiedlichem kulturellen oder politischen Hintergrund zusammenzubringen und über das gemeinsame Musizieren einen Ort des Dialogs zu schaffen und voneinander zu lernen. Dies wird auch heute noch genauso gefördert und gelebt wie vor 25 Jahren. Aber auch musikalisch hat sich das Orchester weiterentwickelt. Heute gehört es zu den Spitzenorchestern, die auf den großen internationalen Festivals präsent sind und dort auf höchstem Niveau musizieren. Gleichzeitig bleibt es unser Ziel, auch in der Region selbst aufzutreten, was in Teilen bereits gelungen, aber aufgrund der politischen Lage derzeit nicht denkbar ist.

Krisen, Kriege, Miteinander

Feuilletonscout: Spüren Sie die aktuellen Krisen auch innerhalb des Orchesters?
Daniel Barenboim:
Ja, natürlich. Alle Musiker:innen des Orchesters sind entweder direkt oder indirekt von den politischen Konflikten in der Region betroffen. Es gibt viel Schmerz und Trauer, das macht die gemeinsame Arbeit oft emotional extrem intensiv / herausfordernd. Aber gerade deswegen überwiegt der Wille weiterzumachen, einander zuzuhören und die eigene Meinung zu hinterfragen. Das zeigt sich auch daran, dass wir in den letzten anderthalb Jahren inmitten von Krieg und Konflikten drei Tourneen realisieren konnten und wir bereiten uns gerade auf die anstehende Sommertournee vor. Gerade weil die Situation so belastend ist, wird der Austausch unter den Musiker:innen noch einmal mehr gefördert, aktiv gelebt und mit Leben gefüllt.

West-Eastern Divan Orchestra Daniel Barenboim
Daniel Barenboim © Silvia Lelli

Hören als Haltung

Feuilletonscout: Welche Bedeutung messen Sie dem gemeinsamen Musizieren junger Menschen aus konfliktbeladenen Regionen bei, wenn es um Friedensarbeit geht?
Daniel Barenboim:
Im West-Eastern Divan Orchestra, und auch in der Barenboim-Said Akademie, begegnen sich junge Menschen aus der Region und lernen, einander zuzuhören, Unterschiede auszuhalten und gemeinsam Musik zu machen. Wir haben hier einen Ort, an dem sich die Musiker:innen frei äußern können und zugleich bereit sind, die Perspektiven und Erfahrungen der anderen anzuhören und anzuerkennen. Musik ist eine Form der Kommunikation, die Brücken bauen und Unterschiede überwinden kann. Die Barenboim-Said Akademie, die sich aus der Arbeit des Orchesters heraus entwickelt hat, ist eine wichtige Weiterentwicklung dieses Gedankens. Hier werden junge Musiker:innen aus Israel, Palästina, arabischen Staaten, sowie Iran und Türkei in Bachelor- und Masterstudiengängen zu exzellenten Musiker:innen und neugierigen und reflektierten Menschen ausgebildet.
Lang Lang: Als Künstlerinnen und Künstler kommen wir nicht zusammen, weil wir alle gleich sind, sondern weil wir gemeinsam bereit sind zuzuhören – einander, der Musik und etwas, das größer ist als wir selbst. Ich glaube, dass Musik eine Sprache ist, die alle Menschen verstehen können. Sie zeigt, was uns verbindet. Mit dem West-Eastern Divan entsteht ein Raum, in dem Musik Dialog, Respekt und Schönheit möglich macht.

Zwischen Anspruch und Publikum

Feuilletonscout: Wie wählen Sie die Programme für die Konzerte aus, und welche Rolle spielt dabei der Dialog zwischen den Musikerinnen und Musikern? Gern auch im Hinblick auf das kommende Konzert in der Berliner Waldbühne.
Daniel Barenboim:
Die Programme sollen einerseits künstlerisch anspruchsvoll als auch für ein breites Publikum zugänglich sein. Das Konzert in der Waldbühne ist für mich jedes Jahr aufs Neue ein Highlight und ich freue mich ganz besonders, dieses Jahr gemeinsam mit Lang Lang auf der Bühne zu stehen. Ich schätze ihn nicht nur als Pianisten und Musiker sehr, sondern auch als Menschen und Freund.

Respekt im Alltag

Feuilletonscout: Wie gelingt es dem Orchester, trotz politischer Spannungen im Nahen Osten, eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und der Zusammenarbeit zu schaffen?
Daniel Barenboim:
Über lange und intensive Gespräche – teilweise mit Gästen und Referent:innen, die wir für Gesprächsformate und Diskussionsrunden einladen. Das Orchester schafft dies aber auch unter sich, entweder in der großen Gruppe oder in kleineren Gruppengesprächen, bei jedem Mittag- oder Abendessen während der Probenphase und auf Tournee.
Lang Lang: Das West-Eastern Divan ist wirklich ein herausragendes Orchester! Es ist immer eine Freude, mit jungen Musikerinnen und Musikern zu musizieren – und noch mehr, wenn sie aus so unterschiedlichen kulturellen Hintergründen stammen. Jede und jeder bringt ihre oder seine eigene Geschichte, ihren eigenen Klang mit – und irgendwie fügt sich durch die Musik alles zusammen. Das berührt mich sehr. Es erinnert mich daran, warum ich liebe, was ich tue.

Feuilletonscout: Wie gestalten sich Arbeits- bzw. Probephasen in dieser schwierigen Situation?
Daniel Barenboim:
Viele Musiker:innen beschäftigen sich mehr und mehr mit den Werten des Orchesters und mit der Frage, was das Divan Orchestra für sie bedeutet und wofür es steht. Dazu gehört auch, dass sie die Prinzipien des Orchesters noch einmal reflektiert und neu aufgeschrieben haben. Außerdem verstärken wir das Gesprächsangebot in den Probenphasen, organisieren mehr Diskussionsrunden, u. a. mit Psycholog:innen, Philsoph:innen und arbeiten mit NGOs aus der Region zusammen, die die gleiche Mission haben und den Austausch zwischen Israelis und Palästinenser:innen am Leben erhalten.

Echo der Welt

Feuilletonscout: Wie reagiert das Publikum weltweit auf die Botschaft des Orchesters, und welche Rückmeldungen sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Daniel Barenboim:
Ich habe den Eindruck, dass das Publikum die Botschaft und die Musik des Orchesters heute mehr denn je hören möchte. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass unsere Konzerte im Sommer sehr gut bis ausverkauft sind. Sicherlich stehen manche Menschen unserer Arbeit kritisch gegenüber, aber es gibt auch viele Bewunderer, die unsere Botschaft gerade in dieser Zeit schätzen.

Feuilletonscout: Welche Zukunftsvisionen und Projekte plant das West-Eastern Divan Orchestra für die kommenden Jahre?
Daniel Barenboim:
Neben einigen bereits geplanten Tourneen in den kommenden Jahren möchten wir die Synergien mit der Barenboim-Said Akademie weiter vertiefen. Wir haben das Ziel, auch weiterhin internationale Tourneen mit gefeierten Solist:innen zu spielen, den Austausch auf menschlicher Ebene zu vertiefen und noch mehr jungen Menschen den Zugang zu einer musikalischen Ausbildung auf höchstem Niveau zu ermöglichen.

West-Eastern Divan Orchestra
Daniel Barenboim & Lang Lang
Mendelssohn: Erstes Klavierkonzert
Beethoven: „Eroica“ 
10. August 2025Waldbühne Berlin

Weitere Infos über das Konzert, Tickets und Einlassregelungen hier

Warum das Konzert hörenswert ist

  • Musik als Plattform für interkulturellen Dialog
  • Exzellente junge Musikerinnen und Musiker
  • Waldbühne Berlin meets Beethoven und Mendelssohn

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West-Eastern Divan Orchestra: Music as dialogue

For 25 years, the West-Eastern Divan Orchestra has united young musicians from Israel, Palestine, and Arab countries. Its mission: music as a bridge between cultures. Despite political tensions, the ensemble continues touring, rehearsing, and engaging in dialogue. Pain and grief are present, but the will to connect prevails. The Barenboim-Said Academy in Berlin deepens this vision, training young talents from conflict zones to become outstanding musicians—focused on reflection and listening. Concert programs balance artistic excellence with accessibility. Daniel Barenboim emphasizes the emotional intensity of the work, while Lang Lang sees music as a universal language. On August 10, 2025, they will share the stage at Berlin’s Waldbühne—a concert that embodies both artistic brilliance and humanistic spirit.

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