Von Birgit Koß.
Die 52-jährige Melara Mvogdobo ist eine wahre Kosmopolitin. Mit Schweizer und kamerunischen Wurzeln hat sie nicht nur in diesen beiden Ländern, sondern auch in der Dominikanischen Republik gelebt und wohnt seit 2022 mit ihrer Familie in Andalusien. Auch ihr beruflicher Hintergrund ist vielfältig und erst 2023 erschien ihr Debüt „Von den fünf Schwestern, die auszogen, ihren Vater zu ermorden“ (Edition 8, Zürich). Sie bleibt dem Familienthema treu und schreibt in ihrem zweiten Roman über Großmütter. Und wieder geht es ihr um die Selbstbestimmung und Befreiung der Frauen.
Zwei Großmütter, zwei Schicksale
In der Ich-Form lässt sie abwechselnd zwei Großmütter, eine aus der Schweiz, die andere aus Kamerun zu Wort kommen, deren Namen wir nicht erfahren. Letztendlich stehen sie für eine Gruppe von Frauen, aus ihrer Generation in ihren sozialen Verhältnissen. Die Schweizerin stammt aus der armen Familie eines Bergbauern. Sie geht gern zur Schule, möchte lernen. Doch mit elf muss sie die Schule verlassen. „Ein Mädchen braucht nicht gescheit zu sein“. Mit sechzehn wird sie zu einem reichen Bauern ins Tal geschickt, als Dienstmädchen, wo ein Knecht sie verführt. Schwanger kehrt sie „in Schande“ zu ihrer Familie zurück und wird schließlich mit dem hartherzigen älteren Dorfschreiner verheiratet. Sie gebärt ihm acht Kinder, erträgt seine Griesgrämigkeit und seine Schläge bis er in ein Pflegeheim muss – und auch dorthin folgt sie ihm. Erst ihre Enkeltochter wagt es, die Großmutter zu fragen, wie und wieso sie dieses ganze freudlose und entbehrungsreiche Leben ausgehalten hat und schafft schließlich den Freiraum zu handeln.
Gefangen im goldenen Käfig in Kamerun
Parallel wächst in Kamerun ein junges bildschönes Mädchen in einer wohlhabenden und angesehenen Familie heran. Es ist der Liebling des Vaters und selbstverständlich macht die junge Frau ihr Abitur. Doch als sie studieren möchte, um Ärztin zu werden ist die Antwort klar. „Wir haben noch nicht einmal einen männlichen Arzt in der Familien … werde schnell erwachsen, Tochter und vergiss diese dummen Träume.“ Gegen eine enorme Mitgift wird sie mit einem angesehenen, reichen Mann verheiratet. Er behandelt sie als Prinzessin, doch sie sitzt in einem Käfig. Als klar wird, das sie „nur Töchter“„ zur Welt bring, besteht ihr Mann auf eine Zweitfrau. Als sie ihm die Zustimmung dazu verweigert, beginnt der Ehemann ihr das Leben zur Hölle zu machen, woraufhin sie ihn verflucht. Beide können dem Kreislauf aus Verachtung und Erniedrigung nicht entkommen. Auch hier bedarf es einer Enkeltochter für eine radikale Lösung.
Auf nur 127 Seiten gelingt es der Autorin, einfühlsam und prägnant stellvertretend zwei Frauenschicksale zu schildern und dabei deutlich zu machen, wie die Unterdrückung von Frauen über soziale und nationale Grenzen weit hinausgeht. Liebevoll gestaltet und in zwei Farben voneinander abgesetzt, schaffen Autorin und Verlag ein Denkmal für alle Großmütter, „den toten und den lebenden und denen, die noch geboren werden.“
Melara Mvogdobo
Großmütter
Transit Verlag, Berlin 2025
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Two grandmothers, two worlds – the new novel by Melara Mvogdobo
Melara Mvogdobo’s new novel tells the story of two grandmothers—one from Switzerland, the other from Cameroon. Both live under societal constraints, expectations, and male dominance.
The Swiss woman grows up in a poor farming family. She loves school but is forced to leave at eleven. At sixteen, she becomes a maid, is seduced, and falls pregnant. She is then married off to an older carpenter, enduring his cruelty—until her granddaughter dares to ask why she endured it all.
In Cameroon, a young woman from a wealthy family dreams of becoming a doctor, but her family forces her into marriage. She bears only daughters, prompting her husband to demand a second wife. When she refuses, an intense struggle begins.
In just 127 pages, Mvogdobo illustrates the oppression of women across cultures. Her novel is a literary tribute to grandmothers everywhere.