Von Barbara Röder.
Ein beeindruckender Liederabend, ein hochemotionaler Klavierabend und ein pianistisches Juwel an Musizierkunst und Leidenschaft: Wir nähern uns dem Ende des Jahres. Meist, so erlebe ich es in der ruhigen Zeit zwischen den Jahren, lassen mich musikalische Höhepunkte oder musikpoetische Erinnerungen an das zurück imaginieren, was mich im dahin geflossenen Jahr besonders berührt hat. Vielleicht denke ich auch an jene Begebenheit, klein oder groß, welche mich innehalten ließ und welche mich zu mir selbst geführt hat. Ich wandere zurück in den ereignisreichen Bayreuther Sommer 2023. Außergewöhnliche Höhepunkte während der Bayreuther Festspiele boten zum einen das kaum bemerkte, von Kennern hochgeschätzte Piano-Recital des so ganz unangepassten, französischen Klavierphilosophen Alexandre Tharaud.
Im schmucken Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth thronte für dessen markanten Auftritt ein schwarzer, wohlklingender Gigant meisterlicher Klavierbaukunst: Die Klaviermanufaktur Steingraeber, aus dessen Werkstatt auch Wagners berühmte „Parsifalorgel“ stammt, lud zum Konzert einen Abend bevor die „Bayreuther Festspiele“ ihre Tore öffneten. Die Leidenschaft für die tönende Welt der schwarzen und weißen Tasten liegt den Mannen der Firma Steingraeber im Blut.
Alexandre Tharaud, der mit Jean Philippe Rameaus „Suite en la“ in so ganz andere Sphären vergangener Jahrhunderte entführte, verfügte über eine behutsam nuancierte Anschlagkultur. Seine Spielfreude dient ganz dem Tonfall der jeweiligen Komposition. In Edvard Griegs selten gespielten „12 Lyrischen Stücken“ ist Tharaud der Meister, welcher den poetischen Miniaturen Griegs ein musikalisches Gesicht zu schenken vermag. Mit pianistischer Behutsamkeit lässt Tharaud den mächtigen Steingraeber-Flügel Leichtigkeit, Sinnlichkeit und zuweilen überbordende Überschwänglichkeit atmen. Wir vernehmen Töne und Klänge, die an zerbrechliches Glas, feines Porzellan oder einen Windhauch erinnern. Auch Gustav Mahlers „Adagietto aus seiner 5. Symphonie“, welche Tharaud transkribierte, oder Maurice Ravels „Miroirs“ machten an jenem Abend spürbar, wie nahe die Vergänglichkeit und die Wirklichkeit ineinander wirken.
Ebenso beglückend waren und sind immer wieder die „Wahnfried-Konzerte“, welche in Richard Wagners ehemaligem Wohnhaus, der Villa Wahnfried, stattfanden. In einem ganz besonderen Liederabend, den der „Mime“ des Rings, der Tenor Arnold Bezuyen und sein Liedbegleiter Joseph Breinl gaben, war der musikalische Geist des Hauses spürbar. Es erklangen Werke von Clara Schumann, Brahms, Mahler, Strauss und der unbekannten Komponistin Johanna Müller-Hermann. Bezuyen erläuterte mit Witz, Tiefgang, großer Kenntnis und Zuneigung zu den jeweiligen Komponisten und Werken deren Geschichte. Ein gehaltvoller, klangpoetischer Abend, der geschmackvoll das Leben, das Sehnen und Wähnen feierte. Zwei Ausnahmekünstler, die mit Richard Strauss’ „ Morgen…“ die Stimmung des Rosenkavaliers heraufbeschworen. Der letzte Akkord verhallte wie ein kristallener Sphärenklang und ließ erahnen, wie es einst gewesen sein mochte, als Richard Wagner mit den Seinen musikalische Sternstunden erlebte.
Am Ende der Spielzeit bot die ukrainische Pianistin Kateryna Titova ein Feuerwerk an Spielverrücktheit. Die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V. lud zu diesem exklusiven Wahnfried-Konzert. Ein Fest für die Sinne, das Werke von Scarlatti, Chopin, Liszt und Beethoven im altehrwürdigen Saal der Villa Wahnfried in den Fokus rückte. Die hochemotionale Virtuosin Titova wusste zu begeistern und wurde gebührend gefeiert. Ein gelungener Abschluss der sehr beliebten Reihe außerhalb des Spielbetriebs auf dem „Grünen Hügel“.
Ein Interview mit dem international gefeierten Tenor Arnold Bezuyen erfolgt im Sommer 2024.
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Chamber Music Retrospectives: Bayreuth in the Summer of 2023
In the quiet time between the years, I reflect on musical highlights and poetic memories of the past year. My mental journey takes me back to the Bayreuth Summer of 2023. An impressive evening of songs, a highly emotional piano night, and a pianistic gem of musical artistry and passion mark the end of the year. A scarcely noticed but highly esteemed piano recital by Alexandre Tharaud, the French piano philosopher, left its mark on the Bayreuth Festival. In the splendid Margravial Opera House, a black, resonant giant of masterful piano craftsmanship from the Steingraeber company took center stage.
Tharaud transported the audience to past centuries with Rameau’s „Suite en la,“ and his delicately nuanced playing gave Grieg’s „12 Lyric Pieces“ a musical expression. Mahler’s „Adagietto“ and Ravel’s „Miroirs“ also revealed the proximity of transience and reality. The „Wahnfried Concerts“ in Wagner’s former villa impressed with Bezuyen and Breinl’s song evening featuring works by Schumann, Brahms, Mahler, and Strauss. The musical spirit of the house was palpable. Ukrainian pianist Kateryna Titova concluded the season with a fireworks display of musical eccentricity, presented by the Society of Friends of Bayreuth. A successful conclusion to the popular concert series on the „Green Hill.“