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Globe Berlin zeigt Shakespeare gegen den Krieg

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Das Globe Berlin zeigt Haltung. In der Sommersaison 2025 bringt das Freilufttheater im Berliner Kiez ein außergewöhnliches Stück auf die Bühne: „Macht . Krieg . Frieden (?)“ entstand in Zusammenarbeit mit dem Urban Theater, gegründet von ukrainischen und russischen Künstler:innen. Im Zentrum stehen Fragen nach politischer Macht, Ohnmacht – und dem, was Frieden heute noch bedeuten kann. Im Interview spricht Christian Leonard, Künstlerischer Leiter des Globe Berlin, über Shakespeare als politischen Spiegel unserer Zeit, über ein Theater, das auch ohne Vorbildung berührt – und über den Wunsch, Hochkultur als echtes Volkstheater zugänglich zu machen.

Theater als Antwort auf den Ukrainekrieg

Feuilletonscout: In diesem Jahr liegt der Fokus der Sommersaison auf dem Krieg in der Ukraine. Unter dem Titel „Macht . Krieg . Frieden (?) / War . Powers . Peace (?)“ soll ein Theaterstück auf die Bühne gebracht werden, dass in Zusammenarbeit mit ukrainischen und russischen Schauspielern entstand, die 2023 das Urban Theater gegründet haben. Wie ist es zu dieser Kooperation gekommen?
Christian Leonhard: Als es während eines Treffens im Globe Berlin zunächst um ein Gastspiel des Urban Theater ging, haben wir vom ersten Augenblick gespürt, dass es eine gemeinsame Vision gibt, welchen Betrag wir auf der Bühne leisten können, ja müssen. Die Idee für „Macht. Krieg. Frieden (?)“ war schon lange gereift, doch wir hätten es zunächst anmaßend gefunden, Aussagen über den Krieg in der Ukraine zu treffen, ohne uns mit wirklich betroffenen Menschen ausgetauscht zu haben. Natalia Lapina kam mit ihrem wunderbaren Ensemble zu uns, wie ein Wink des Himmels und es ergab sofort Sinn, das gemeinsame Potential zu nutzen, um dieses außergewöhnliche Theaterprojekt zu verwirklichen.

Shakespeare, Machiavelli und Arendt auf einer Bühne

Feuilletonscout: Wie entstand die Idee zu dem Stück, wie wurden die Inhalte festgelegt? Und worauf darf sich das Publikum einstellen? Die Themen sind ja durchaus ernst.
Christian Leonhard: Seit dem Beginn des Krieges hat uns im Globe Berlin die Frage bewegt, wie wir als Theater auf ein solches Ereignis reagieren. Gerade weil unser Stammpublikum im Sommerspielplan eher anspruchsvolle Unterhaltung auf hohem Niveau erwartet, wollen wir uns mit künstlerischen Ausdrucksmitteln an die Themen Krieg, Macht und Ohnmacht annähern – und den Menschen zumuten, sie gemeinsam zu verarbeiten. Die dramatische Grundlage der Aufführung, die sich wie ein Biopic eines modernen, manipulativen Machthabers liest, bildet eine neue Textfassung von William Shakespeares Heinrich V., die in Echtzeit auf atemberaubende Weise schildert, mit welchen Mitteln der innenpolitisch unter Druck stehende Protagonist seine Berater, die Armee und letztlich ein ganzes Volk dazu bringt mitzuwirken. Fragmente von Niccolò Machiavelli und Hannah Arendt ergänzen die Historie und ermöglichen uns andere Perspektiven, seien es die Methoden eines Herrschers, der einen Konflikt initiiert oder eine Aussicht auf Frieden für alle beteiligten Parteien.

Feuilletonscout: Um das Stück zu produzieren wurde eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen. Was passiert, sollte das angestrebte Ziel nicht erreicht werden?
Christian Leonhard: Wir bekommen so viel Zuspruch aus der Politik und von Privatpersonen, die „Macht. Krieg. Frieden (?)“ inhaltlich spannend finden, dass wir darauf vertrauen, die Finanzierung zu realisieren. Über die Crowdfunding-Plattform „startnext“ hinaus sprechen wir Stiftungen an, stellen Förderanträge und gehen davon aus, das Produktionsbudget vor Probenbeginn zu erreichen – frei nach dem Shakespeare-Zitat: „Wo Geld vorangeht, sind alle Wege offen.“

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Foto: Thorsten Wulff

Zeitlose Klassiker im Zeichen der Macht

Feuilletonscout: Wie passen die beiden Wiederaufnahmen „Urfaust“ und „Hamlet“ in das diesjährige Programm? Was macht die beiden Stücke so passend zu unserer heutigen Zeit?
Christian Leonhard: Das ist eine gute und kluge Frage! Mit dem Titel „Macht & Ohnmacht“ erforschen wir in diesem Jahr einen der aktuell brisantesten Themenkomplexe. Bei „Hamlet“ geht es um den Konflikt zwischen politischer Verantwortung und persönlicher Moral, „Urfaust“ zeigt einen Menschen, der Macht missbraucht, um private Ziele zu erreichen und „Macht. Krieg. Frieden (?)“ porträtiert einen Usurpator, der sein Volk manipuliert, um Krieg zu führen. Wir finden es wichtig, uns diesen Themen zu stellen und mit unserem Publikum in einen Diskurs darüber zu kommen, was uns gemeinsam bewegt.

Feuilletonscout: Alle Stücke, auch die Wiederaufnahmen, werden auf Deutsch oder auf Englisch gezeigt, mitunter auch zweisprachig. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem anspruchsvollen Programm gemacht, Shakespeare im Original zu zeigen?
Vor wenigen Wochen waren wir mit „Romeo & Julia“ zu zwei Gastspielen mit beiden Versionen im bayrischen Amberg eingeladen und hatten so viel Zuspruch bei jungen Zuschauer:innen, dass diese am Tag nach der Aufführung des englischen Originals wiederkamen, weil sie unbedingt auch die deutschsprachige erleben wollten – ich finde das bemerkenswert und es bestätigt, dass es möglich ist, junge Menschen heute fürs Theater zu begeistern, die morgen unsere Zuschauer:innen sind. Auch und gerade in Berlin bestätigen uns immer mehr internationale Gäste, dass sie ein solches Angebot nur im Globe Berlin finden und weltweit zeigt nur das Globe Ensemble Berlin zahlreiche Inszenierungen sowohl im Original, als auch in der deutschsprachigen Fassung. Inzwischen hatten wir auch Besuch vom englischen Botschafter, der von unserer „Hamlet“-Aufführung in der Originalfassung begeistert war.

Globe: Volkstheater für alle – mitten in Berlin

Feuilletonscout: Insgesamt fällt auf, dass es Ihnen gelingt, sogenannte Hochkultur – Shakespeare, Kafka, Goethe, Schiller – als Volkstheater so zu etablieren, dass sie in einem einkommensschwachen Kiez viele unterschiedlichen Menschen aus verschiedensten Kulturkreisen zugänglich gemacht wird. Wie gelingt Ihnen das?
Christian Leonhard: Vielleicht gelingt es uns, die Erwartungen an ein zeitlos modernes Volkstheater zu erfüllen und unser wachsendes Publikum durch Kontinuität, Qualität und Vielfalt zu überzeugen. Viele Gäste teilen uns mit, dass sie den Ort außergewöhnlich finden und sich als Publikum wahrgenommen fühlen. Schließlich kann man einen unterhaltsamen Sommerabend im Freien verbringen, ein gutes Glas Wein oder sein Bier mit ins Theater nehmen und bekommt ein Rundumpaket für Leib, Seele und Sinne zu für alle erschwinglichen Preisen – das ist inzwischen längst nicht mehr selbstverständlich.

Globe: Theater für alle Generationen

Feuilletonscout: Das heißt also auch, dass niemand sich verloren fühlen muss, wenn er sich nicht mit den Shakespeare & Co. auskennt?
Christian Leonhard: Unser Programm aus Schauspiel, Wortkunst und Weltmusik spricht Menschen aus allen Kulturen an, unsere Inszenierungen respektieren die erzählerische Grundlage ihrer Autoren, das sinnliche Erlebnis steht im Vordergrund und nicht zuletzt die Live-Musik wirkt für viele ansprechend. Man braucht also keine Vorbildung, um einen angenehmen Abend mit Freunden unter freiem Himmel zu verbringen.

Feuilletonscout: Gibt es in diesem Jahr ein ganz besonderes Highlight?
Christian Leonhard: Wir setzen unsere erfolgreiche Reihe „Volkstheater für alle“ fort und laden zu öffentlichen Proben ein. Die Einführungen und Publikumsgespräche rund um „Macht. Krieg. Frieden (?)“ erwarten wir mit gespannter Vorfreude – und im Bereich der Wortkunst freuen wir uns auf die Premiere von „Keiner stirbt für sich allein“ nach dem Roman von Hans Fallada.

Feuilletonscout: Wird es jeden Dienstag „The Swingin‘ Hermlins“ geben?
Christian Leonhard: Es wird nicht nur an 12 Abenden die beliebten Konzerte mit Kultstatus geben, sondern an einem Abend darf und soll Swing getanzt werden…

Vielen Dank für das Gespräch, Christian Leonhard!

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

Globe Berlin shows Shakespeare against the war

Globe Berlin’s 2025 summer season focuses on war and peace. At its core is “War. Powers. Peace (?)”, a play developed in collaboration with Ukrainian and Russian actors from the Urban Theater. It is based on a new version of Shakespeare’s Henry V, enriched by texts from Machiavelli and Hannah Arendt – a powerful reflection on power and manipulation.

“We didn’t want to make a play about the war in Ukraine without working with people directly affected,” says artistic director Christian Leonard. The collaboration with Urban Theater felt like destiny.

In addition to the premiere, the program includes revivals of Hamlet and Urfaust, all centered around the themes of power, helplessness, and moral responsibility. Performances are in German, English, or bilingual – a format that appeals to international audiences.

A crowdfunding campaign is helping to fund the new production. Leonard is confident: “The support has been overwhelming.”

With its „Theater for All“ initiative and affordable ticket prices, Globe Berlin continues to bring classical works to a diverse audience – no prior knowledge required.

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