Smoke gets in your eyes
SEIN oder IHR oder XIER (alles was sich nicht als er oder sie anfühlt) – Eine Annäherung an ein literarisches Unikat. Von Ingobert Waltenberger.
Die Hauptfigur des Romans B. Rosenberger Rosenberg ist Kunstkritiker
„Die Kritik ist das Fenster und der Kronleuchter der Kunst.
Sie erhellt die umhüllende Finsternis,
in der die Kunst anderenfalls nur vage erkennbar
und womöglich gänzlich ungesehen ruhen würde.“
George Jean Nathan
Eines ist sicher: Der 863 Seiten und in 90 Kapitel unterteilte dicke Schmöker mit dem Originaltitel „Antkind“ ist gewichtig. Und hier ist schon Schluss mit Gewissheiten. Der Romanerstling von Charlie Kaufman, bekannt vor allem durch das Drehbuch und dessen Verfilmung von „Being John Malkovitch“, ist eine unendliche Abfolge von inneren Monologen und Comedy-Sketches in Dick- und-Doof-Manier. Er spielt mit dem Thema Wahrnehmung aus dem Blickwinkel eines alten schrumpeligen weißen Mannes, sucht nach einer Art höheren Wahrheit und nutzt als Wirklichkeitsbezug die mehr oder weniger glamouröse Filmwelt mit all ihren Bizarrerien und unglaublichen Auswüchsen, Hollywood Szenetratsch und den voyeuristischen Blick durchs Schlüsselloch inklusive.
Sein Alter Ego Ingo Cutbirth ist Trickfilmer
Unser Antihero B. (Balaam) Rosenberger Rosenberg, mediokrer Kunstkritiker, patriarchalisch sexbesessener Wolf im Damenpelz, will für die St. Augustin Society for the Preservation of St. Augustin Film History eine Monographie mit dem Arbeitstitel „Gender und Transformation im amerikanischen Kino“ schreiben. Im Zuge seiner Recherchen stößt er auf „A Florida Enchantment“, einen gigantischer Claymotion-Streifen aus dem Jahr 1914 des 119-jährigen Ingo Cutbirth, wo das Geschlechterspiel zum ersten Mal eine Rolle spielt. Inhalt der Szene: Junge Frau isst Zaubersamen, der sie in einen heteronormativen Mann verwandelt. Als ihr Verlobter auch von dem Samen probiert, stöckelt er plötzlich in Damenhut und Kleid daher. „Der Macher des Films wollte zudem das Konzept kultureller Unsichtbarkeit erkunden.“ (S 671)
Ingo ist ein steinalter, zurückgezogen lebender, vermutlich psychedelisch alfroamerikanischer Filmemacher, der 90-jährig an seinem Florida-Film arbeitete. Ingo hatte kein Interesse daran, sein Werk irgend jemanden in den Kopf zu stopfen. Er schuf nur für sich selbst. Den Film anzusehen dauert drei Monate und ist naturgemäß nur B. vergönnt. Wer nach B.’s Weisheit geht, dass „jeder Film von Substanz sieben Mal angeschaut werden muss, um ihn zu verstehen“, hätte also ganz schön zu tun.
Nichts ist so, wie es scheint
Wer nun glaubt, bei „Ameisig“ handelt es sich um ein politisch korrektes Buch, irrt gewaltig. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es lästert ganz köstlich gegen Cancel Culture und Genderwahn. Unser alternder Held, ein trauriger August und Feminist zugleich, lässt kein Fettnäpfchen, kein offenes Kanalloch aus, um sich nicht kopfüber darein zu stürzen und gülletriefend stinkend wieder aufzutauchen. Alles geht schief, nichts gelingt ihm. Der nach Eigendefinition unattraktive Mann mit kleinem Penis fantasiert jungen Frauen nach, verliebt sich in eine afroamerikanische Seriendarstellerin. Der Schwarm dauert nicht lange, sie verlässt den anstrengenden Dauerräsonierer für einen cooleren Typen, jünger versteht sich.
Sprachgewalt im philosophischen Daunenbett
Aber Stopp: Eigentlich tut die äußere Handlung wenig zur Sache. „Ameisig“ ist eine megalomanische Reflexion über paradoxe Wahrnehmung und den ständig sich wandelnden Blickwinkel auf die Welt, das Verhältnis der Geschlechter zueinander, nicht zuletzt über das Unverständnis der Generationen zueinander. Und ein alter weißer Mann mittendrin. Das Buch ist außerdem ein allzu namengespicktes Liebesmanifest über die Kunstform Film. Eine Unzahl an im Nirgendwo verankerten Gedankenexperimenten werden durch den Wortwolf gedreht, mehrfach gewutzelt und gewendet. Der Pageturner für Unerschrockene bietet eine lockere Aneinanderreihung von Sprachwitz, Aberwitz und Wortmonopoly. Der Leser fühlt sich dabei durchaus das eine oder andere mal in die geistige Fast-Insolvenz getrieben. Nichts ist vor dem Frontalangriff des Autors sicher. Nicht die Antike, nicht die Mythen, nicht die Bibel, nicht die Literatur oder die Musik und schon gar nicht das Kino oder der eitle, aber final um nichts weniger bemitleidenswerte Mensch im Hier und Heute.
„Meine Gedanken rasen mit 1000 km/h daher, springen wild von einem Thema zum anderen. Ich muss daran arbeiten, diesen Affengeist, wie die Buddhisten einen Verstand wie den meinen nennen, in Ruhe zu bringen, auch wenn dieses Affenartige ein Nebenprodukt meiner Intelligenz ist. Doch aufgrund dieses Intellekts bin ich ein Affe an der Leine, das Opfer eines fortwährenden kosmischen Witzes der Götter.“ (Zitat S. 66).
Ein Wendepunkt wie ihn jeder kennt
Frühmorgens am 17. Tag der für B. exklusiven Filmvorführung, irgendwann zwischen 03.05 und 03.08 Uhr, stirbt Ingo. Weil B. Rosenberger die Filmrollen und alle Figurenpuppen für die Knetanimation in einem gemieteten Laster nach NY transportieren will und das ganz schön weit ist, hält er zur Rast beim Billigrestaurant Slammy’s. Benannt nach dem nur professionellen Ringern vorbehaltenen Preis. Der Laster geht in Flammen auf, der Film ist futsch, beim Rettungsversuch verbrennt sich B. gehörig die Nase. Viel später (genau auf S. 626) will B.’s Double wissen, dass der Film jedoch während des Wirbelsturms Irma zerstört wurde. Ein Akt Gottes also. Keine Schuld, wie unser alter chinesischer Freund Lao Tsu wohl gesagt hätte.
„I will try on slipping, slipping into the future“ (Steve Miller). Mit neuem, aus der Vorhaut seines „Johannes“ geflickten Näschen wird B. endlich aus dem Burns and Schreiber Burns Hospital in North Carolina entlassen. „Ich finde es vielsagend, dass ihr verlorener Film und ihr Koma beide drei Monate dauerten“, meint dazu knapp der Trauerbegleiter.
Der Versuch einer Rekonstruktion von Verschwundenem
B. geht seither durch die labyrinthische Welt des „ma“, jenes japanischen Konzepts des Zwischenraums (einigen wird das aus den Romanen von Haruki Murakami geläufig sein), der Interaktion zwischen Verstand und Gegenstand. Gott im Himmel. Das Buch handelt von allem, Gesehenem und Ungesehenem. Es ist eine schräge Komödie über den den Albtraum der Komik. „Grobgestrickte Komödie ist niederträchtiger Horror.“ Wir folgen geduldig einem ausufernden schizophrenen Selbstgespräch mit Tiraden über das Wollen und Erreichen, dessen engen Möglichkeiten und im Wind flatternden Imaginationen, gnadenlos in Schleife schwadroniert, wie Thomas Bernhard das einst so trefflich vormachte. Naturgemäß trägt die Welt das Ihrige zu dem Kunstwerk bei, die Welt lässt sich bekanntlich nicht abweisen.
Seit dem Verlust von „A Florida Enchantment“ hat B. nur noch im Sinn, dieses „größte“ Kunstwerk der Filmgeschichte rekonstruieren zu wollen. „Unter Rückgriff auf eine von mir selbst erdachte Methode, basierend auf meinem Verständnis der Blockuniversum-Theorie und meinem enormen Wissen über die Filmgeschichte sollte ich dieses Bild studieren und mit hoher Präzision das darauf folgende wie auch das vorhergegangene Bild prognostizieren lassen. Wenn ich diesen Vorgang schlicht 186 624 999 Mal wiederhole, sollte ich den Film vollständig rekonstruieren können.“
Das Ringen um Erinnerung
5 Jahre später. Je weiter B. die Zeit von Ingos Film davonträgt, desto weniger erinnert er sich an ihn. „Im Versuch, meinen Geisteszustand zu verbessern, durchstreife ich einsam und verlassen die Straßen Ny’s wie ich es häufig tue, um Frauen anzulocken, die mich für besonders tiefgründig oder der Rettung bedürftig halten könnten, eine Technik, die bislang noch keine Früchte getragen hat, aber es gewiss irgendwann tun wird…“
„Und so spiegelt und betrachtet B. sein Umfeld und den ihm zugewiesenen ameisenwinzigen Platz darin wie der Hilfsbuchhalter Bernardo Soares im „Buch der Unruhe“ von Fernando Pessoa, er suhlt sich in illusionslosem Selbstmitleid, von ironischen Brechungen durchzickt, ist an sein Ringelspiel der ewig und immer gleichen Sehnsüchte gekettet. Das Hamsterrad der menschlichen Befangenheiten und Obsessionen, der Erinnerungen, des Vermögens und Unvermögens der Neuronenausrichtung am Zeitgeist, es macht schwindlig. „Die sprichwörtliche Denkkappe auf dem Kopf, funkelndes Auge, wippender Gang, der Stift im Mund jetzt, knabbernd, konzentrierte Falte zwischen den Augen, schimmernde Schweißperlen auf der Stirn, und ich kann nicht. Ich kann mich nicht an einen einzigen Moment in Ingos Film erinnern.“
B., stolzer Eigentümer eines klaffenden Lochs in seiner Seele, eine schräge Mischung aus unterwürfig und wichtigtuerisch, versucht nun, mithilfe von Hypnose dem verlorenen Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Was wieder zu Irr- und Umwegen führt, denn die Seltsamkeit der Welt übersteigt unser einfaches Begriffsvermögen.
Von Doppelexistenzen, Clones und Doubles
Der Hypnotiseur Barassini tritt auf. Er wendet eine neue, gefährliche, bislang unerprobte Methode an, um den Film aus seinem Patienten herauszuholen, die bisher nur an syphilitischen Mäusen angewandt wurde. Fetzen und einprägsame Szenen aus Filmen wie „Moutarde“ oder „Immer Ärger mit 40“ steigen an die Oberfläche, streifen kurz die Aufmerksamkeit und zerplatzen. Kaufmans Vorliebe für die Komikerduos Wheeler & Woolsey, Budd Abbot & Lou Costello sowie Mudd & Molloy (die komischen Hauptfiguren in Ingos Film) beginnt, seltsame Blüten zu treiben. Animierte Puppen aus Ingos verbranntem Nachlass spielen Wiedergänger, so die sprechende Eselspuppe Gregory Corso, Rooney & Doodle geistern durch die Seiten. Ein Donald Trunk taucht immer wieder auf, der nicht nur seine Doppelgänger-Puppe mit – in Eigendefinition – weicher, aber dennoch männlicher Gesichtshaut zum Ko-Präsidenten machen will, sondern mit ihr auch großartigen Sex hat. Was natürlich aus der Warte Trunks nichts mit Homosexualität zu tun hat, weil er ja nur mit sich selber rummacht. B. kann das nicht passieren, denn er tötet seinen erfolgreicheren Doppelgänger mit den Fäusten, nur um dann selbst in dessen Existenz samt geflochtenem Bart zu schlüpfen.
Das Glück, das ist ein Vogerl
Der Roman erinnert im Fortschreiten immer mehr an Thomas Pynchons komplexe Schöpfungen. „Ameisig“ darf als ein wahnsinniges, nervendes, ein fantasiesprühendes Buch gelten, aber auch ein crazy fucking gorgeous one. Ist es die bodenständige Geschichte eines bärtigen Alten mit Feuermal an der Stirn, einem absurd paranoiden Gedanken nachtragenden Selbst voller Zweifel, das unser Mitgefühl für einen Außenseiter einfordert? „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich lächerlich bin. Die Missgeschicke, all die offenen Kanalschächte. Aber vielleicht noch entsetzlicher sind meine Gedanken. Meine Denkweise ist albern. Meine Erinnerungen sind grotesk. Meine Einfälle sind lachhaft. Ich bin ein Clown.“
Am Ende sind wir doch alle dem Glück auflauernde Zappelnde. Und ja: Die unverfälschte menschliche Emotion im Buch ist mit Händen zu greifen. Motto: „Man kann gar nichts mit Sicherheit wissen.“ Kaufman führt uns selbst auf die Sinnspur seines Buchs: „Darin liegt seine (B.‘s) Gabe, seine Fähigkeit, uns die Tragödie und Komödie zu enthüllen, die unser Leben ist.“ Gestalten und Einträge im Lebenslauf hat B. viele: Geringschätziger Zirkusdirektor, enervierter Kaufhausgeschäftsführer, kleinstädtischer Zahnarzt, Filmregisseur, ungeduldiger Geigenlehrer, oberster Hotelpage, Hafenarbeiter, Angestellter bei einem Herrenaustatter, kriecherischer Feinkostladenmitarbeiter, überheblicher Famulus von Jean-Luc Godard, herablassender Banker, eifersüchtiger drittklassiker Filmkritiker, Autor über siebzig in Kleinverlagen erscheinenden Monografien, liederlicher Wäscher usw.
Film und Literatur
Fehlt gerade noch, dass B. schließlich versucht, Ingos Film in einer naturgetreuen Romanfassung neu zu erschaffen, was schließlich seinem bärenstarken Doppelgänger gelingen soll. Ja freilich: „Die Romanfassung ist eine verrufene Form, eine minderwertige Form, obwohl es Romanfassungen gegeben hat, die den Filmen, auf denen sie basieren, weit überlegen waren, z.B.: John Updikes (ein elfenhafter Chronist von weißer Männlichkeit) Fassung von „Fun in Ballon Land“. Also nennen wir es jetzt nicht Romanfassung? Transsubstantiation? Das gefällt mir. das ist eine bewährte heilige Konnotation.“
Kaufman sieht sich vielleicht als den Verrückten, der die Welt heilen kann, zumindest bekommt auch dieser Freakgarten unserer Gesellschaft seine selbstgehässige Breitseite ab: „Die Welt zu retten um jeden Preis, trotzdem wir nicht wissen, wie das Universum funktioniert.“ Die Welt, sie sinkt in einen halbbewussten Traumzustand, in welchem wir einen allmählich zunehmenden Surrealismus in unserem Alltag tolerieren (S. 368).
B. liebt Godard, aber sieht in Kaufman einen aufgeblasenen Selbstdarsteller, ein schwarzes Loch der Kreativität. Dabei zielt er vor allem auf den Film „Anomalisa“ ab. Wunderbar doppelbödig ist dieser Kunstgriff des Autors, sich selbst als Filmschaffender vernichtend zu rezensieren: „Anomalisa ist ein Plädoyer an seine Mitmenschen, doch bitte, bitte, den Menschen als ein Individuum zu betrachten. Ein edles Ansinnen, würde Kaufman es nicht auf eine offensichtlich verlogene Weise von seiner erhabenen Position des Verkünders wichtiger Wahrheiten aus vorbringen.“
Effekthascherei, Gesehenes und Ungesehenes
Könnten nicht die für Selbstdarsteller und Realitätsreduzierer aller Art so wichtigen Social Medias, Facebook, Instragram & Co. damit gemeint sein, wenn B.’s Doppelgänger es tief bedauert, wie viel von unserer Lebenszeit wir damit verschwenden, uns mit der Effekthascherei anderer zu befassen, unsere Aufmerksamkeit, unsere Anerkennung, unseren Beifall ihren Bemühungen mit dem einzigen Zweck der Selbsterhöhung zu spenden? Denkt doch an all die Bücher auf der Welt, all die Filme, die Fernsehsendungen, die Musik, die Zeitschriften, die schwadronierenden Politiker, die Künstler aller Couleur.
„Die überzeugte Freigeistigkeit scheint im Widerspruch zur Logik der Dinge zu stehen.“ …„Die Clownerie verkörpert die ganze Gemeinheit der Nicht-Clownerie, dies mit dem zusätzlichen Ärgernis des körperlich Grotesken. Ich bin das Monster, das sich nie ganz selbst begreifen kann: das weiße, männliche Menschenwesen.“ legt Kaufman B. in den Mund. „Manchmal kommt es mir vor, als wären meine Gedanken nicht meine eigenen Gedanken, als dächte ich falsche Dinge, dumme Dinge, alberne Dinge, zum Amüsement eines ungesehenen Publikums.“
Von den letzten Dingen
„Ameisig“ legt ein rührendes Zeugnis über das Altern ab, der schmerzlichen Veränderungen. Es ist ein einzig ewiger Monolog über das Vergehen, über die Annäherung an das Sterben und insoweit Hermann Brochs „Der Tod des Vergil“ nicht unähnlich. „Das Unendliche ist es, von dem aller Zusammenhang im Seienden getragen wird.“ Dieses Zitat Brochs scheint gut zu Kaufmans Roman zu passen. Wohin verschwinden die Dinge, die wir vergessen? „Die schreckliche Ironie meiner Situation und der einzige Grund, aus dem ich vielleicht tragischer bin als eine Rolle Toilettenpapier, liegt darin, dass ich mich erinnere, dass ich mich nicht erinnere.“ (S 434). 434).
Mögen oder Nichtmögen, das ist hier die Frage
Man muss nicht wissen, wer oder was eine Korel’sche Menge, The Ivy League Band, der Scribe Award, Maurizio Cattelan, Ace Young oder Viola Spolin war oder ist, um diesen Roman zu mögen oder auch nicht. Irgendwann zieht sich der Leser oder die Leserin beim Schopf aus dem Mahlstrom der Worte, schlägt das Buch zu, seufzt, geht zum Kühlschrank und genehmigt sich einen. Aber zuvor lesen wir noch, was auf dem hinteren Cover als Zitat der Los Angeles Review of Books gedruckt ist: „Kaufman bringt sich an jede formale Grenze, kompromisslos, trostlos und zerstörerisch, aber dennoch wunderbar.“ Ein Schluss so banal und dumm wie fast alle Sätze in fast allen Rezensionen. Auch meine hier ist keinen Deut besser. O Gott, was tu ich da? Beschreib es mir! Barassini holt mich mit einem Fingerschnippen aus der Trance. Die Zeit ist um für heute.
Verlust
Wer den Antkind-Ziegel in unzähligen Gehirnmagenwindungen blähungslaut verdaut und wieder vergessen hat, darf sich mit B. über folgende Einsicht freuen: „In der Erfahrung des Verlusts liegt eine tiefgreifende, süße Melancholie. Es ist das köstlichste und kräftigste Gewürz im Gewürzregale des Lebens. Zu schade, dass du es nie kosten wirst, Kumpel. Zwischen Burgern und Bier passt es wohl einfach nicht.“
Fazit
Eine literarische Zumutung in gepfefferter Übertreibungsmanier, die es mit großen, nicht nur amerikanischen Vorbildern aufnehmen kann. Eine Art heutige Version von Theodore Dreisers „Amerikanischer Tragödie“. Ein surrealer bunter Gedankenkuchen voller dornenharter rosa Weisheitsrosen. Das lesende Publikum darf sich himmlisch auf Kosten des meist chaotisch überforderten Personals des Romans amüsieren. Zwischendurch ist Lesearbeit zu absolvieren. Aber wie sagte schon mein Russisch-Lehrer am Gymnasium: Ohne Fleiß kein Preis. Welche Auszeichnung Ameisig erhalten wird oder nicht, ich hoffe es wird kein Slammy-Award sein, wo alle Kritiker des Buchs zuvor im Ring gegeneinander mit Fäusten antreten müssen
Charlie Kaufman
Ameisig
Carl Hanser Verlag, München 2021
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