David Bowie (1947-2016)
Ein Nachruf von Tatjana Barzi-Vogt
Elegischer Sänger, begnadeter Produzent, Gender Rebel, charismatischer Performer, genreübergreifender Komponist und Songtexter mit Botschaft, Theaterschaffender und Filmschauspieler, kompromissloser Avantgardist, visionärer Modeprophet, Maler und metaphysischer Intellektueller, der sich vom exzessiven Drogenkonsumenten über den Pop Popper zum gläubigen Buddhisten in den Superstar mit +140 Mio. verkauften Tonträgern in den Olymp der Weltstars hineinverwandelte, selbst seine Augen waren zweifarbig: nichts war gewöhnlich an ihm. Bereits als blutjunger englischer boy in den frühen 60ern self-fulfilling prophezie er seinem gesamten Umfeld lautstark, dass er, David Robert Jones, ein Weltstar werde.
Später tourte the artist called Bowie ob seiner Flugangst im Orient Express mit prall gefülltem Bibliothekswaggon von Konzertbühne zu Konzertbühne, monatelang kaum schlafend: wenn er nicht öffentlich arbeitete, las er mit von Koks prall gefüllter Nase die Nächte durch. Gierig war er auf der Suche nach dem Licht, das die Dunkelheit seiner Seele zu erhellen vermöge… Bowie (seinen Künstlernamen hatte er einem amerikanischen Helden des texanischen Unabhängigkeitskriegs im 19ten Jahrhundert entlehnt) war Romantiker. Sein Major Tom aus der Weltraumballade Space Odditiy suchte von je an seine All-umfassend empfundene Einsamkeit zu durchbrechen.
Sein gesamtes schillerndes Leben lang oszillierte er rastlos durch die Extreme: von völlig losgelöst zu ganz ergeben. So handelte er sich die im Black Star besungenen Narben ein – bis er auf seiner wahnsinnigen Suche mit den Neunzigern in ruhigere Gefilde fand, steter wurde und in seinem umfassenden Schaffen auch das Malen und die Meditation für sich entdeckte. Die Zangen des Biests der Einsamkeit jedoch ließen ihn bis in sein letztes, 25tes Album nicht los – aber die Richtung seines Strebens vermochte er umzukehren: to heaven I go. Major Tom ist als Hohepriester des künstlerischen Schaffens aufgestiegen ins Kosmonautenall, nach sich ziehend einen Sternenschweif aus musikalischem Superschall. Die offensichtliche Wahl des exakten Zeitpunkts seines Abschieds spricht Bände über seine Willenskraft – und den Frieden, in dem er ging. Das Wesen des Krebses erlaubt Erlösung nur im Loslassen, wie mein Vater mich lehrte. Wer wie Bowie mit der Vollendung seines möglichen Werks im Kreis seiner Liebsten geht, geht in größt möglichem Frieden. Und so ging er in vertrauter Weise: heroisch, wenngleich auch er ging. Bevor er richtig alt wurde. Und das hatte er uns ja bereits vorhergesagt.
Mit seiner künstlerischen Strahlkraft begann die Welt nach seiner Berlin-Trilogie wieder mehr in unserer Stadt zu sehen als nur die Hauptstadt des Schreckens. Zwar musste Berlin zuerst durch das Dunkel der von Mauern einbetonierten „Welthauptstadt des Heroins“ (Bowie) waten. Dennoch begann man fortan wieder, die Keime künstlerischen Schaffens in der ehemaligen Metropole zu sehen. Es sollte noch einige Zeit länger brauchen, bis Bowies Hymne Berlins aufging. Aber heute ist die Stadt: voller Heroes. Viele Berliner trauern um dich: not just for one day. Vielen Dank, David für deine große Inspiration: forever and ever!
Über die Autorin:
Tatjana Barzi-Vogt studierte Communication Sciences an der Freien Universität Berlin und beschäftigte sich während des Studiums intensiv mit David Bowie. Sie arbeitet als freie Communications Manager und u.a. für NFTE Deutschland.
Sehr schöner Artikel. Man merkt, dass Sie ihn mochten.