Von Barbara Hoppe.
Beiden Ausstellungen gemeinsam ist, dass sie einen großen Zeitraum umspannen: „Contradiction“ mit Werken der österreichischen Fotografin Elfie Semotan (geb. 1941) rund 50 Jahre ihres Schaffens, „Food for the Eyes“ geht sogar bis zu 200 Jahre zurück.
Von Rezeptbildern, einer Wurstserie und kunstvoll Arrangiertem
Noch stark angelehnte an die malerischen Stillleben wirken die frühen Food-Fotografien aus dem 19. Jahrhundert mit ihrem Obst, Karaffe und Schale fast noch wie ein Gemälde. Lediglich mit den abgerundeten Ecken wollte der Künstler, William Fox Talbot, demonstrieren, dass es sich hier um Kunst handelt. Doch wandelt sich das Motiv des Essens im Bild sehr schnell. Stillleben sind es zwar im weitesten Sinne immer noch, doch wirken sie – wenn auch häufig nicht weniger kunstvoll arrangiert – viel zufälliger, so wie Wolfgang Tillmans „summer still-life“, eindringlicher wie die Wurstserie von Peter Fischli und David Weiss oder kubistischer wie die „Frozen Foods“ von Irving Penn aus dem Jahr 1977, ein Meisterwerk der Fotografie, in der nicht nur das Arrangement, sondern auch der entscheidende Moment des „kurz vor dem Auftauen“ besticht. Wer sich auf den Weg durch die Geschichte des Essens in der Fotografie macht, erlebt eine eigenartige Transformation von Nahrung als Kunst und Wertiges hin zu einem Konsumgut, das zwar durchaus bei Festen, Ritualen und Geselligkeit eine verbindende Rolle spielen kann, aber durch seine Überfülle bisweilen pervertiert wirkt. Wie sinnlich Essen in den abgelichteten Kontexten noch ist, mag der Betrachter für sich entscheiden.
Sinnliche Werbung
Über die Sinnlichkeit, die den Fotos von Elfie Semotan innewohnen, besteht hingegen kein Zweifel. In den 60er Jahren selbst noch als Fotomodel tätig, kam die Österreicherin Ende des Jahrzehnts zur Fotografie. In ihren Bildern sind die Geschichten oft wichtiger als das Werbeobjekt und der gelungene Moment wichtiger als die Berühmtheit des Models. So kam es vor, dass Bilder aus dem Privatbestand – häufig in Ausschnitten – in Werbungen des Modeschöpfers Helmut Lang auftauchten, mit dem Elfie Semotan eine lebenslange Freundschaft verband. Models wie Claudia Schiffer entzog sie das Glamouröse und ließ sie mit Kartoffeln werfen. Immer wieder konterkarierte sie die Erwartungshaltungen, die zumeist durch die Männer in der Branche aufgebaut wurden. Wenn Elfie Semotan auf den Auslöser drückte, zeigte sie, was gemeinhin nicht abgelichtet wurde. Da fanden sich Schmuckstücke auf alter Haut und persifliert Männergesten.In Fotos für Modemagazine wie „Elle“, „Harper’s Bazaar“, „Interview“, „The New Yorker“ oder „Vogue“ nutzte sie die Freiräume, die die Fotografie ihr ließ und prägte damit eine neue Ästhetik aus weiblicher Perspektive.
Katalog zur AusstellungFood for the Eyes
und
Contradiction (Elfie Semotan)
Ausstellungen bis zum 7. September 2019
C/O Berlin
Amerika – Haus
Hardenbergstraße 22-24
10623 Berlin
Öffnungszeiten
Täglich von 11 bis 20 Uhr
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