Ende Oktober eröffnete das Ethnologische Museum in Wien unter dem Namen »Weltmuseum« nach dreijährigem Umbau seine Tore. Die von der kaiserlichen Familie Österreichs mit Liebe und Akribie zusammengetragene und von Ethnologen ergänzte Sammlung aus aller Welt und allen Zeiten offenbart in der neuen Präsentation vor allem unsere Zeit und ihre Vorurteile. Von Stephan Reimertz
Die neobarocke Neue Burg in Wien bietet das Halbrund ihrer Säulenkolonnaden wie jene der Piazza San Pietro. In Rom symbolisiert es die geöffneten Arme des Pontifex, in Wien jene der universalen Familie Habsburg, in deren Reich einst die Sonne niemals unterging. Kurz war die Zeit, in welcher die letzten österreichischen Kaiser, Franz Joseph und Karl, sich der kühnen Burg erfreuen konnten. Das imposante Gebäude, das den Heldenplatz beherrscht, war erst im Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges vollendet. Heute beherbergt es die Österreichische Nationalbibliothek, die Sammlung der Musikinstrumente und das Weltmuseum.
Letzteres umfasst die habsburgische ethnologische Sammlung, die sich mit den großen Sammlungen der Welt messen kann, wie dem Museum Fünf Kontinente in München oder dem Musée du Quai Branly in Paris, das sich etwas präziser: Musée des Arts premiers oder Musée des arts et civilisations d’Afrique, d’Asie, d’Océanie et des Amériques nennt. In Wien verfügt man über bedeutende Sammlungen aus Nord-, Mittel und Südamerika, Ozeanien, Australien, Nordafrika, Vorder- und Zentralasien, Sibirien, dem insularen Südostasien usw., dazu einer Bibliothek und einer Photosammlung. Die ganze Welt kehrt ein bei Habsburgs. Auch mit dieser Sammlung hat das Haus Österreich ein Denkmal seiner universalen Monarchie geschaffen.
Ethnologie als propagandistische Inszenierung
In den prachtvollen großen Sälen ist viel Platz, die Sammlung in immer wieder neuen Konstellationen zu präsentieren. Zwischen dem berühmten aztekischen Federkopfschmuck aus dem frühen 16. Jahrhundert aus dem Besitz des Erzherzogs Ferdinand II., dem brasilianischen Federumhang des frühen 19. Jahrhunderts aus der Sammlung des Zoologen Johann Natterer, ägyptischen Moscheeampeln aus dem 14. Jahrhundert, oder nigerianischen Hofzwergen in Gelbguss aus der Zeit 14./15. Jahrhundert: Das Museum in Wien streift viele Welten und Epochen. Die Ethnologie ist freilich keine wertfreie Wissenschaft. Im Gegenteil: Wie kaum eine andere ist sie politisch umkämpft und dient zur Inszenierung jenes Weltbildes, das gerade kommod ist. Auf die weltoffene Präsentation zur Zeiten der Habsburger und die rassistisch-fanatische im »Dritten Reich« folgt nun die politisch korrekte, kulturrelativistische und amerikanoide Inszenierung der derzeitigen Republik Österreich.
Die stark propagandistisch angelegte Neuinszenierung der ethnologischen Sammlung ist kein ärgerlicher Nebenaspekt, sie ist das Museum, wie es sich jetzt präsentiert. Mit dem Namen fängt es an: Über den Toren prangt die Aufschrift welt museum wien. Nach dem Weltschmerz und dem Weltladen nun das welt museum. Nun kann man die Kleinschreibung als Referenz an die wiener schule für dichtung sehen. In Österreich hat die Kleinschreibung indes besonders viele Anhänger: Bei den Verhandlungen über die Rechtschreibreform in den neunziger Jahren tat sich die österreichische Kommission mit der Forderung nach gemäßigter Kleinschreibung hervor. Gravierender ist das Fehlen des Bindestriches. Die Internationale, freilich nicht die sozialistische, sondern die konsumistische, war es offenbar, die hier den Bindestrich kassiert hat. Jack aus Pennsylvania und Mary aus Chicago sollen sich gleich zu Hause fühlen.
Ethnologische Gleichschaltung
Die drei Haupt-Fehler der Neupräsentation – aus Sicht der Veranstalter freilich beabsichtigt – sind: 1.) Die radikal kulturrelativistische Inszenierung, in der alles neben allem im Sinne eines musée imaginaire der Weltkulturen gestellt wird. Hier sollen vormals bestehende europäisch bestimmte Hierarchien eingeebnet werden. Damit werden aber auch historische Entwicklungen plattgemacht. 2.) Die vorwiegende englischsprachigen Beschriftungen der Tafeln und Schaukästen; diese Sprache nimmt hier nach dem Deutschen den zweiten Platz ein. Eine weitere Sprache wird nicht geboten. 3.) Die ideologisch stark vom gender mainstreaming deformierte Sprache. Da ist auf einer Tafel etwa von Kuratorinnen und Kuratoren die Rede. Und so geht es die ganze Zeit über. Kein anderes Land, die USA inbegriffen, wird derzeit mit diesem Jargon so extrem drangsaliert. Einerseits treibt man die Bevölkerung damit den Rechten in die Arme, andererseits regt sich nun auch weitgehender Widerstand bei den Intellektuellen, wie zahlreiche Neuveröffentlichungen zeigen, etwa die neuen Bücher Bildung als Provokation von Konrad Paul Liessmann oder Erwachsenensprache von Robert Pfaller, zwei österreichischen Philosophen, die gegen die extreme Ideologisierung von Wissenschaft und Öffentlichkeit im Donaukleinstaat angehen.
Höhepunkt geschmackloser Anbiederung an englischsprachigen Brutalo-Tourismus und neoliberale Gleichschaltung ist eine Sammlung von Baseballkappen, die einem indianischen Kopfschmuck gegenübergestellt werden. Die Kappen tragen Namen von Indianerstämmen und werden als legitimer Ausdruck von deren »Identität« ausgewiesen; als stünden sie mit dem altehrwürdigen Kopfschmuck des Indianerhäuptlings auf einer Stufe und bewiesen nicht vielmehr gerade die Zerstörung der indianischen Kultur. Die kuriose, in manchem skurrile und extreme Mini-Republik Österreich, die sich an ihrer kaiserlichen Welterbschaft die Zähne ausbeißt, hat im neuen welt museum ein sonderbares Projekt in die Tat umgesetzt: Die politisch-korrekte Inszenierung der gesamten Weltgeschichte.
Weltmuseum Wien
Heldenplatz
1010 Wie
Öffnugszeiten:
Täglich außer Mittwoch: 10 bis 18 Uhr
Freitag bis 21 Uhr
12 Euri/9 Euro
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