Stellen Sie sich vor, am Heiligabend steht das Christkind vor der Tür und Sie lassen es nicht herein. Oder dunkle Schatten kriechen über die Wände des Kinderzimmers, wo Sie über den Schlaf des Kleinen wachen. Oder Sie vergessen, vor lauter Weihnachten und zu vielen Kindern, eines zu beschenken!
Susanne Falk schenkt berühmten Persönlichkeiten der Weltgeschichte, wie den Gebrüdern Grimm, Mary Shelley oder Erzherzogin Maria Theresia und 21 anderen, ihre ganz persönlichen kurzen, geistreichen, mal humorvollen, mal schaurigen, mal traurigen Weihnachtsanekdoten – und schafft damit einen zauberhaften Adventskalender, dessen Geschichten man wirklich Tag für Tag lesen sollte, um die Vorweihnachtszeit zu versüßen.
Barbara Hoppe sprach mit der Autorin, deren Kolumne „Menschen im Museum“ regelmäßig im Feuilletonscout erscheint.
Feuilletonscout: Wie bist du auf die Idee gekommen, berühmten Persönlichkeiten eine Anekdote zu Heiligabend erleben zu lassen?
Susanne Falk: Ich bin letztes Jahr im November in einer großen Thalia-Filiale gewesen und da standen überall diese Weihnachtstische herum mit diversen Buchtiteln zur Weihnachtszeit. Der überwiegende Teil davon war grottenlangweilig und bestand aus irgendwelchen lieblosen Compilations von Textauszügen bekannter Autoren, die mal irgendwann, irgendwo, irgendetwas über Weihnachten geschrieben hatten. Da hab ich mir in meiner ganz eigenen Hybris gedacht: Das kann ich besser. Und schon war die Idee zu einem Buch mit 24 Weihnachtsgeschichten geboren, in der berühmte Personen der Weltgeschichte ihre ganz eigene Weihnachtsüberraschung erleben.
Feuilletonscout: Wie hast du die Auswahl getroffen, welche Persönlichkeiten in das Büchlein dürfen?
Susanne Falk: Da gab es zunächst einmal zwei Kriterien: Sie mussten berühmt sein und sie mussten tot sein. Tote mucken ja in der Regel nicht auf, wenn man sie literarisch verarbeitet. Ich nenne das „Leichenfledderei vom Feinsten“. Und dann war recht schnell klar, es sollten gleich viele Frauen wie Männer im Buch vorkommen und möglichst viele Berufsbilder abgedeckt werden, sprich: Schriftstellerinnen, Musikerinnen, Politikerinnen etc. Nicht zuletzt gab es ein paar Wünsche von Seiten der Familie und von Freunden. So schafften es etwa Lola Montez oder Mary Shelley ins Buch.
Feuilletonscout: Wie viel Wahrheit und wie viel dichterische Freiheit sind in den Texten?
Susanne Falk: Oh, viel Freiheit und ein Funken Wahrheit. Ich hab im letzten Jahr ein Interview von Larry King mit dem wunderbaren Comedian Beck Bennett gesehen. Der spielt bei Saturday Night Live Charaktere wie Mike Pence oder auch Wladimir Putin. Und der hat etwas ganz Großartiges gesagt, nämlich dass man als „Impersonater“, also als Darsteller einer realen Person, nicht versuchen sollte, diese bloß zu kopieren, sondern sich darum bemühen muss, die Essenz dieser Person zu erfassen und zu verarbeiten. Dazu reichen manchmal schon ein paar signifikante Details. Das hab ich mir zu Herzen genommen. Es finden sich demnach stets einige wahre Details in den Geschichten, welche die historische Persönlichkeit hinter der Figur spürbar werden lassen, aber der Rest ist frei erfunden.
Feuilletonscout: Wie viel Recherche steckt hinter den Geschichten?
Susanne Falk: Das ist ganz unterschiedlich. Bei einer Figur wie König Artus oder Marco Polo hab ich einiges gelesen, aber da es in diesen Fällen keine bis kaum historisch belegbare Daten gibt, konnte sich die Fantasie da frei entfalten. Anders verhielt es sich etwa mit Luthers Ehefrau Katharina von Bora. Da hab ich eine Biografie gelesen, Dokus gesehen und mir historische Kochrezepte aus dem Hause Luther als Quellen herangezogen. Trotzdem ist die Geschichte über Luther als Schwerenöter frei erfunden – enthält aber viele reale Details, bis hin zum Namen des Familienhundes.
Feuilletonscout: Was ist deine Lieblingsgeschichte und warum?
Susanne Falk: Ach, ich mag alle Geschichten gerne. Aber besondere Freude hatte ich mit Elvis, der zu Weihnachten eine Karaokebar in Las Vegas besucht. Da lief beim Schreiben im Hintergrund tagelang Elvis‘ Musik. Ein bisschen geweint hab ich bei der Geschichte von Marie und Pierre Curie, weil sie die einzige, wirklich harmonische Liebesbeziehung von allen Figuren im Buch führen, die nur leider nicht von Dauer ist. Die Geschichte spielt Weihnachten 1905, ein paar Monate später stirbt Pierre Curie bei einem tragischen Verkehrsunfall. Und am besten identifizieren konnte ich mich mit Maria Montessori, die partout ihre dreckige Küche nicht aufräumen will und stattdessen fürs Weihnachtsessen ins Restaurant geht. Ich finde Küche aufräumen auch schrecklich.
Vielen Dank für das Gespräch, Susanne Falk!
Susanne Falk
Fast ein Märchen
24 Weihnachtsgeschichten
Picus Verlag, Wien 2019
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Coverabbildung © Picus Verlag
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