„Der Atlas der Dinosaurier“ von Lucy Letherland und Emily Hawkins ist ein Nachschlagewerk der Extraklasse meint Feuilletonscout-Autorin Julia Feurich.
Wer mit Kindern zusammenlebt, dem ist die ungeheure Faszination, die von Dinosauriern ausgeht, sicherlich mehr als vertraut. Als Erwachsener staunt man immer wieder darüber, wie spielend leicht und selbstverständlich bereits den Allerkleinsten Namen wie Muttaburrasaurus oder Hatzegopteryx über die Lippen gehen und in welchen Fachsimpeleien sie sich über die Urzeitechsen verlieren können. Der Wissensdurst scheint schier unerschöpflich zu sein, denke ich zum Beispiel an die vielen laufenden Meter Dino-Bücher im Bücherregal meiner Kinder. Mit dem „Atlas der Dinosaurier“ aus dem Berliner Verlag „Kleine Gestalten“ ist Anfang dieses Jahres nun ein weiteres Nachschlagewerk erschienen, das diese Begeisterung in bezaubernder Art und Weise aufgreift und auch in bereits gut bestückten Bibliotheken kleiner und großer Paläontologen nicht fehlen sollte.
Liebevolle Illustrationen plus Wissen
Der „Atlas der Dinosaurier“ ist nach dem 2015 erschienenen „Atlas der Abenteuer“, der als „Wissensbuch des Jahres 2015“ in der Kategorie „Perspektive – das beste Sachbuch für junge Leser“ durch die Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“ ausgezeichnet wurde, sowie dem 2017 veröffentlichten „Atlas der Tiere“ bereits das dritte Projekt aus dem Hause „Kleine Gestalten“, das die Handschrift der britischen Illustratorin Lucy Letherland trägt. Die Texte steuerte Emily Hawkins bei, übersetzt wurden sie von Andreas Bredenfeld. Der in Berlin-Kreuzberg ansässige Verlag hat es sich neben der Herausgabe von Büchern über Architektur, Typographie oder Graphikdesign zur Aufgabe gemacht, „visuell eindrucksvolle Geschichten, die Kinder begeistern und auch die Ansprüche der Eltern erfüllen“ zu veröffentlichen. „Mit ihren originellen Illustrationen und intelligenten Erzählungen begegnen die Bildergeschichten, Sach- und Lesebücher Kindern auf Augenhöhe.“ Mit der talentierten und bereits mehrfach preisgekrönten Lucy Letherland konnte eine Illustratorin für den Verlag gewonnen werden, die diesem Credo voll und ganz entspricht. Ihr Stil ist von Humor und dem Spiel mit Erzählformen geprägt und vereint moderne sowie traditionelle Elemente der Zeichenkunst in ihren Illustrationen.
Auf 87 wundervoll gestalteten Seiten erfahren junge und junggebliebene Leser viele Details über die größten Lebewesen, die vor etwa 66 bis 250 Millionen Jahren, während des Mesozoikums, die Erde bevölkerten. In über 30 Szenerien wird das Leben vom Apatosaurus bis zum Tyrannosaurus Rex erzählt und werden die Dinosaurierarten ausführlicher vorgestellt. Dabei lohnt es sich genauer hinzuschauen, denn die doppelseitigen Illustrationen im Wimmelbild-Stil bergen unzählige liebevoll versteckte Details und es tauchen noch weitere Tiere auf, die zur gleichen Zeit wie die Dinosaurier lebten: Insekten, Vögel, Meeres- und Säugetiere.
Für Groß und Klein
Das großformatige Nachschlagewerk (27 x 37 cm) wird für Kinder ab sechs Jahren empfohlen, aber mit seinen farbenfrohen Wimmelbildern können auch bereits kleinere Geschwisterkinder in die abenteuerliche Welt der Dinosaurier eintauchen, ohne sich zu langweilen. Sei es das Giraffattan-Kind, das erst einen Schwimmring um seinen langen Hals gelegt bekommt, bevor es ins Wasser gehen darf oder der Tyrannosaurus Rex, der sich zum Verspeisen anderer Urzeitechsen immerhin eine Serviette umbindet, es lassen sich noch zahlreiche andere Überraschungen entdecken. Neben den knappen und leicht verständlichen Einführungstexten, die über die Nahrungssuche, Fortpflanzung oder das Jagdverhalten des jeweiligen Dinosauriers informieren, fassen darüber hinaus Steckbriefe nochmals die wichtigsten Informationen zusammen. Ein besonderes Sahnehäubchen sind nicht zuletzt die vielen anschaulichen und kuriosen Fakten, die sich als kleine Einwürfe durch die illustrierten Szenen schlängeln und mit denen jedes Kind auf dem Schulhof beeindrucken kann oder der Smalltalk auf langweiligen Partys gerettet ist. So erfährt man, dass der Caudipteryx gewissermaßen als Ur-Pfau mit seinen sehr langen Federn zwar nicht fliegen, dafür aber Partnerinnen anlocken konnte bzw. das Muttaburrasaurusmännchen die Wulst auf seiner Nase in der Paarungszeit aufblähte, um den Weibchen zu imponieren. Und wem war bereits bekannt, dass Pterosaurier an Land ihre zusammengefalteten Flügel wie Vorderbeine benutzten oder Microraptoren zwar nicht fliegen, sich aber viele Meter weit gleiten lassen konnten?
Der „Atlas der Dinosaurier“ hebt sich von anderen Nachschlagewerken aber nicht nur durch die hohe Qualität der Illustrationen ab, sondern vor allem durch seine geographische Gliederung. Ausgehend vom Urkontinent Pangäa und dessen Auseinanderbrechen lädt das Buch zu einer spannenden Reise quer über alle Kontinente ein, die von Dinosauriern, Urvögeln und von Meeresreptilien, die die Weltmeere durchstreiften, bewohnt wurden. So lässt sich eindrucksvoll anhand der dokumentierten Fossilienfunde nachvollziehen, wo überall auf der Erdkugel Dinosaurier anzutreffen waren, nicht zuletzt mithilfe der Weltkarte auf den ersten Seiten des Buches sowie den doppelseitigen Übersichtskarten zu Beginn eines jeden Kapitels, die den einzelnen Kontinenten gewidmet sind.
Kurzum: Der wunderschöne Bildatlas über die vermutlich größten Lebewesen unserer Erde ist ein Nachschlagewerk der Extraklasse.
Emily Hawkins/Lucy Letherland
Atlas der Dinosaurier
Übersetzt von Andreas Bredenfeld
Kleine Gestalten, Berlin 2018
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Abbildungen © Kleine Gestalten
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