Dass die Lyrikerin Ingeborg Bachmann (1926-1973) nicht nur in der Gruppe 47 diskutierte und später unter schweren Schreibblockaden litt, kam durch den Nachlass von Jörg Mauthe zutage. Mauthe war einst Kollege der Lyrikerin beim Wiener Radiosender Rot-Weiß-Rot, der von den amerikanischen Besatzern betrieben wurde. Zunächst als Sekretärin und Skript-Redakteurin tätig, war sie zwischen Februar 1952 und September 1953 federführend für die Geschichten der populären Radio-Soap Die Radiofamilie verantwortlich. Sie schuf typische wienerische Charaktere Vater, Mutter, Kinder, Onkel und verknüpft sie mit aktuellen Themen und erzieherischen Einsprenkeln, so wie es die amerikanischen Chefs wünschten.
Deutschlandradio Kultur: Das Überraschendste an diesen neu aufgefundenen Texten ist, dass Ingeborg Bachmann tatsächlich relativ regelmäßig Manuskripte für halbstündige Radiosendungen geliefert hat – unterhaltsame Dramolette, die einen durchaus größeren Aufwand an Dramaturgie, Personenführung und -charakterisierung brauchen und einen etwas längeren Atem.
Zeit online resümiert: Bachmanns bodenständige Seite ist die eigentliche, schönste Überraschung dieses Bandes. Selbstironie, gesunden Menschenverstand und zupackenden Humor muss man als Teil wenn nicht ihres Werks (im emphatischen, künstlerischen Sinne), so doch ihrer Persönlichkeit zur Kenntnis nehmen. Nun versteht man auch, dass die Dämonen ihrer Dichtung zuallererst gedichtete Dämonen waren.
Ingeborg Bachmann: Die Radiofamilie
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Joseph McVeigh
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
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